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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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untersuchen.« Mit zusammengepressten Lippen schüttelte Dartzow den Kopf. Rungholts Finger öffneten den Beutel. »Ich muss wissen, wer dahintersteckt. Ich muss den Entführer finden! Wissen, wer so etwas anfertigt.« Mit diesen Worten zog Rungholt den Kinderschädel hervor und warf ihn dem überraschten Dartzow zu.
    »Was … Was ist das?« Angewidert hielt der Bürgermeister den kleinen Schädel von sich weg.
    »Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, wer immer die Kinder entführt hat, stellt das mit ihnen an. Er braucht sie für irgendein Ritual.«
    Dartzow sah Rungholt an. Sein Zorn war verflogen. Stattdessen konnte Rungholt auf dem Antlitz des Bürgermeisters ob der Runen schiere Angst erkennen, und er hoffte, dass diese Angst Dartzow dazu bringen würde, das Richtige zu tun.
    »Lasst mich Peterchen untersuchen«, brummte er nachdrücklich. »Lasst mich noch einmal Agnes sehen.«
    Doch der Bürgermeister, noch immer gebannt vom Anblick des Schädels, schüttelte stumm den Kopf.
    Da packte Rungholt ihn und zog den blonden Mann zu sich heran. »Wenn sich herausstellt, dass er Kinder entführt, um ihre Schädel zu kochen und Runen draufzuritzen – und Ihr habt nichts unternommen«, zischte Rungholt, »dann kommen nicht drei Mann mit lächerlichen Fackeln, Dartzow!« Speichel lief Rungholt aus dem Mund, so bebte er. »Dann habt Ihr Euren Aufstand. Dann kommen sie alle, die Lübecker da draußen. Und sie kommen mit Knüppeln und Äxten.«

23
    Claas Meenkens’ Haus lag im Schatten einer großen Esche. Ihre Wurzeln hatten die linke Seite der Böttcherei um mehrere Handbreit angehoben. Einige Risse zogen sich vom Boden bis zur Traufe im Zickzack durch die Gefache. Die größten hatte Meenkens notdürftig mit Hanf gestopft und mit alten Fassbrettern zugenagelt. Der Baum hatte selbst die starken Fachwerkbalken verzogen, sodass das Dach – mehrfach ausgebessert – wie ein zerknittertes Stück Tuch dalag. Der Wind fuhr durch den hohen Baum, Äste kratzten an der Außenwand des Hauses. Ein merkwürdiges Geräusch war das, als säße man auf hoher See in einem von Meenkens’ Fässern.
    Das Schaben und Rauschen zerrte an Rungholts Nerven. Er starrte nach draußen in den Regen, sah dem Wasser zu, wie es in Fäden von den unzähligen Ästen und Blättern des schwankenden Baumes troff. Währenddessen trank er ein Dünnbier, das nicht aus seiner Brauerei kam, wie er verstimmt festgestellt hatte. Beinahe hätte er Meenkens’ Weib, einem ledrigen, alten Ding namens Greteke, an den Kopf geworfen, wie schlecht diese Plörre war. Doch bevor ihm aus purer Ungeduld etwas herausgerutscht war, hatte sie sich, Gott sei Dank, weiter um ihre Stickarbeiten gekümmert.
    Diele und Werkstatt waren bei Meenkens ein Raum. Man betrat das Haus und stand sogleich zwischen einer Unmenge an Dauben, an frisch gelieferten Fassreifen aus Weiden- und Birkenruten. Verschiedenste Fässer stapelten sich bis zur Decke. Ein paar größere waren mit Eisenringen umspannt und fassten mehr als fünfhundert Kannen. Die kleinen Daubenschalen und Fässchen – selbst die Fässer, die Rungholt für sein Bier benutzte – wirkten wie Spielzeug daneben. Mehrere Dutzend Eimer, Bottiche und Zuber waren vor Regalen mit gedrechseltem Geschirr angeordnet. Alles hier verströmte den Duft von frischem Holz. Mit einem Mal mischten sich Hammerschläge in das Knarzen des Baums.
    Meenkens’ Geselle schmiedete Eisenreifen für ein weiteres Fass. In der viereckigen Feuerstelle ließ ein Blasebalg die Flammen auflodern. Es sollte wohl ein großer Trog werden, denn die Eisen, die der schlanke Mann immer wieder bearbeitete, waren gut zwei Klafter lang und breiter als zwei Hände.
    »Eric Dartzow meinte, sie sei erstickt? Furchtbar. So ein Tod.« Greteke fädelte einen Faden auf.
    »Ja. So ist es. Hat Dartzow also schon mit Euch gesprochen?« Seitdem er hier auf Meenkens wartete, hatte Rungholt kein Wort über seine Ermittlungen verloren, lediglich gesagt, dass er ihren Mann wegen Agnes sprechen müsse und vom Rychtevoghede höchstpersönlich geschickt worden wäre. Eine kleine Notlüge. Die Einzelheiten wollte er Meenkens unter vier Augen verraten und herausbekommen, in welchem Verhältnis Peterchen und Agnes standen, oder ob Meenkens eine Ahnung hatte, wer dieser Quadratschädel von einem Mann war. Greteke mit der Tatsache belasten, dass man ihre Magd entführt, ihr wohl Runen in den Arm geritzt und einen kultischen Schädel aus ihr hatte machen wollen, war ihm zuwider.
    Rungholt

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