Flying Moon (German Edition)
unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren. Wir wussten beide, dass ein Paar sich jetzt geküsst hätte, doch wir sahen uns nur an.
23.
Die nächsten Tage drehten wir im Umland von Saarbrücken, es gab keine Schaulustigen und ich fühlte mich wohl und genoss das Schauspielen und die Zeit mit Lasse. Alles schien leicht und einfach zu sein. Bis zum Abstand schwersten Drehtag für mich. Im Drehbuch standen nur wenige lapidare Sätze: Ida kommt aus der Scheune. Aus dem Hinterhalt greift sie ein fremder Junge an. Er drängt sie an das Scheunentor, versucht sie zu küssen, zu vergewaltigen, bis Jack ihre Schreie hört und ihr zu Hilfe eilt. Nach einem heftigen Kampf, schlägt Jack den Fremden nieder. «
Der Dreh war ein Nachtdreh und Lasse wurde vor mir ans Set gebracht. Ich wurde mit Gerion abgeholt, er saß vorn und ich hinten und wir schwiegen. Von Gerion ging eine nervöse Aggressivität aus, die sich auf die Stimmung im Auto übertrug. Es war, als würde er schon in seine Rolle als Vergewaltiger schlüpfen.
Als wir am Drehort ankamen war es dunkel. Ich ging sofort zu meinem Wohnmobil, das ich nun ganz für mich allein hatte. Dort lag schon mein Kostüm. Eine Jeans und ein enges blaues T-Shirt. Ingrid hatte mir auch eine Wärmejacke herausgelegt. Ich zog alles an und klopfte dann am Maskenmobil an. Es war besetzt, also wartete ich draußen. Schließlich kam Gerion heraus. Er trug ein schmutziges Hemd und eine mit Schlamm bespritzte Arbeitslatzhose und lächelte kurz.
In der Maske legte mir Dorit zum ersten Mal ein leichtes Make Up auf und umrahmte meine Augen sanft mit grauem Kajal.
»Aufgeregt?«
Ich nickte. Auf dem Maskentisch lagen kleine Blutbeutel.
»Wofür ist das?«
»Wenn Lasse Gerion angreift. Dafür muss ich wieder Blut verstecken.« Sie lachte. »Aber diesmal richtig viel.«
Der Hof vor der Scheune wurde durch große Scheinwerfer, vor die schwarze Folien geklemmt waren, beleuchtet. Peter trug die Steady. Uli erklärte uns, dass er die gesamte Szene in einer Einstellung drehen wollte.
»Die Steady wird alles verfolgen, spiel einfach, Moon, achte nicht auf Peter, der sehr nah an dir dran sein wird. Moon, du wartest in der Scheune; kommst dann heraus, zögernd, ängstlich. Dann greift dich Gerion an. Du wehrst dich, schreist, dann kommt Lasse.«
Lasse und Gerion hatten sich nur kurz und frostig begrüßt. Ich war nicht nur deshalb in einer angespannten Stimmung. Im Laufe des Drehs hatte ich täglich mehr Selbstvertrauen bekommen, ich spürte, dass mir jede Szene besser gelang, ich sicherer und souveräner wurde, aber in dieser Nacht war ich zum ersten Mal wieder unsicher. Obwohl ich die Wärmejacke anhatte, zitterte ich. Die unausgesprochene Aggressivität zwischen Lasse und Gerion war kein Spiel. Sie kannten sich, mochten sich aber offensichtlich nicht. Und ich war mitten drin und musste mit Gerion die nächste Szene spielen. Gerion, der mir nur zu deutlich zeigte, dass er mich für eine Dilettantin und Anfängerin hielt.
»Wir wollen proben, bitte alle auf ihre Position!«, rief Uli.
Gerion stand irgendwo in der Nähe der Scheune und wartete. Für die Probe konnte ich die Wärmejacke anlassen und ich war froh darüber, denn es war kalt und ungemütlich und die Jacke gab mir Schutz. Ich ging in die Scheune.
»Probe ab!«
Ich öffnete das Scheunentor und schlich heraus, sah mich ängstlich um und lief dann weiter. Es war unheimlich hier draußen, trotz der Set-Leuchten und des Teams, das im Halbschatten stand. Ich sah mich um. Hatte Gerion seinen Einsatz verpasst? Unsicher ging ich weiter. Plötzlich schoss er auf mich zu, hielt mir die Hand vor den Mund und schleifte mich an die Scheunenwand. Alles geschah schnell und so geschickt, dass ich verblüfft und widerstandslos alles geschehen ließ. Ich war wie erstarrt. Gerion sah mich fragend und abwartend an, dann zuckte es verächtlich um seinen Mund.
»Danke, aus!«
Uli kam auf uns zu. »Moon? Warum hast du dich nicht gewehrt und geschrien? So hatten wir es doch besprochen?«
»Ich ...« Mir schossen Tränen in die Augen.
Lasse kam in der Wärmejacke aus der Scheune.
»Wie kann sie schreien, wenn er ihr den Mund zuhält?!«
Gerion sah Lasse aggressiv an. Uli versuchte zu vermitteln.
»Gerion, ich fand die Idee, die Bewegung gut, aber Lasse hat Recht, du musst ihr etwas mehr Zeit lassen.«
»Zeit wofür?«, sagte Gerion kühl.
Er ließ mich los und ich sackte zurück an die Bretterwand.
Während Gerion, Lasse und Uli miteinander
Weitere Kostenlose Bücher