Föhn mich nicht zu
verlassen. Gelegentlich nehmen auch Jugendliche am Unterricht teil, die gar nicht im Klassenbuch stehen, in
der Regel Freunde meiner Schüler, die bereits von der Schule abgegangen sind und nicht wissen, wo sie, bis das Gesundbrunnen-Center
öffnet, die Zeit totschlagen sollen. Ich versuche aber, sie in den Unterricht mit einzubeziehen.
Das Vereinbaren von Unterrichtsregeln, wie Sie als Ausbilder es empfehlen, hat sich als bekloppte Schnapsidee erwiesen, denn
von den Schülern kamen nur Vorschläge in folgendem Tenor: «Es ist verboten, dem Lehrer auf den Arsch zu schauen, |110| außer er bittet drum!» Oder: «Beleidigungen des Lehrers dürfen nur an der Tafelseite stehen, die nicht fürs Tafelbild gebraucht
werden!» Die anschließende Abstimmung über von mir formulierte und auf ein Plakat gebrachte Regeln fand keine Mehrheit. Ich
habe das Poster trotzdem hingehängt, und die Schüler haben meine Regeln darauf umgeschrieben («Der Lehrer darf die Schüler
beim Reden nicht unterbrechen! Der Lehrer darf nur reden, wenn er drangenommen wird!» usw.).
Spezielle Voraussetzungen
Tatsächlicher Entwurf
Als ich die Schüler übernahm, merkte ich schnell, dass der vorher unterrichtende Lehrer ihnen dieses Fach durch einen bedenklich
autoritären Unterrichtsstil ziemlich verleidet hatte. Ich nahm meine Klasse aber ernst und habe sie, wie mir in meinem Geschichtsseminar
geraten wurde, in die Jahresplanung einbezogen, indem ich sie zunächst fragte, womit sie sich denn gern beschäftigen würden.
Dabei machte ich ihnen keine Vorgaben. Erstaunlich viele Schüler äußerten spontan den Wunsch, sich mit der «Serbischen Frage»
als Auslöser für den Ersten Weltkrieg zu befassen. Zufällig deckte sich dieser Wunsch mit dem Lehrplan. Folglich dürfte die
Motivation der Jugendlichen ziemlich hoch sein. Inhaltlich sind die Schüler vorbereitet. Sie wissen Bescheid über die Bündnisverpflichtungen,
das Weltmachtstreben Wilhelms II. und über das Wettrüsten der europäischen Großmächte. In den vorangegangenen Stunden wurde die Vorgeschichte auf dem Balkan
behandelt. In dieser Stunde befassen sie sich damit, inwiefern das Geschehen auf dem Balkan mit den Interessen der europäischen
Großmächte kollidierte. Dies sollen die Schüler in Gruppen erarbeiten.
Die meisten Schüler beherrschten, als ich die Klasse übernahm, nicht einmal bruchstückhaft Deutsch. Die Unterrichtssprache |111| war oftmals Türkisch. Gruppenarbeiten scheiterten wiederholt an ethnischen und religiösen Konflikten. Dank meines systematischen
Sprach- und Methodentrainings konnte ich in den zwei Wochen, seitdem ich die Schüler unterrichte, in allen Bereichen deutliche
Fortschritte erzielen. Mittlerweile machen sie ordentliche Powerpoint-Präsentationen und haben keine Mühe, Kants
Kategorischen Imperativ
zu lesen. Auch die Gruppenarbeit funktioniert nun erfreulich reibungslos.
Ehrlicher Entwurf
Anfangs hatten die Schüler wegen des vorher unterrichtenden Lehrers überhaupt keine Lust auf Geschichte. Darum habe ich sie
gebeten, aufzuschreiben, was sie denn gern in diesem Schuljahr machen beziehungsweise nicht machen wollen. Auf zahlreichen
Zetteln stand «Türkei!», auf ebenso vielen «Nichts über Juden». Darum habe ich mich entschieden, mich in diesem Jahr völlig
auf die Materialien eines älteren Referendars über die «Serbische Frage» zu stützen und unterrichtsbezogene Anregungen der
Schüler möglichst zu ignorieren, um bis zur Lehrprobe kein Risiko einzugehen. Den historischen Kontext kennen die Schüler
aus meinem einstündigen Lehrervortrag, den ich mit den Worten einleitete: «Schreibt alles mit und lernt es auswendig! Darüber
ist der nächste Test. Und der macht neunzig Prozent der Gesamtnote aus.» Den behandelten Gegenstand sowie die eingesetzten
Methoden kennen die Schüler aus dem Effeff, da wir diese Stunde schon wiederholt geprobt haben.
|112| Thema der Unterrichtseinheit
Europa auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg – eine Zwangsläufigkeit?
Stundenthemen der Einheit
Tatsächlicher Entwurf
1. Stunde :
Von Bismarcks Koalitionen zum Bündnissystem vor dem Ersten Weltkrieg – Verschiebung des Machtzentrums?
2. Stunde :
Deutschlands Flottenpolitik – Braucht Deutschland eine größere Flotte?
3. Stunde :
Deutschlands Flottenpolitik – Stärkung oder Schwächung des Landes im internationalen Gefüge?
4. Stunde :
Nationalstaatsbildungen
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