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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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nicht immer die schwersten Quellen bekommen wollten.
    Sicherung
    Tatsächlicher Entwurf
     
    Eine Gruppe präsentiert ihre Ergebnisse, indem sie diese in das eingangs der Stunde entworfene Tafelbildmuster einträgt. Da
     ich die Schüler zu Selbständigkeit und Autonomie erziehe, dürfen sie das vorgegebene Muster auch komplett verwerfen. Bei der
     Präsentation werde ich mich vor allem auf die schwächeren Schüler stützen, also Tung, Lena und Nico. Zwar ist das Ergebnis
     dann wahrscheinlich weniger gut, aber mir ist es |116| wichtig, dass gerade auch diese Lerner gefördert werden und Erfolgserlebnisse haben.
     
    Ehrlicher Entwurf
     
    Eine Gruppe präsentiert ihre Ergebnisse, indem sie diese in das eingangs der Stunde entworfene Tafelbildmuster einträgt. Bei
     der Präsentation werde ich mich, um kein Risiko einzugehen, vor allem auf die Leistungsspitze stützen, also Tung, Lena und
     Nico.
    Vertiefung
    Tatsächlicher Entwurf
     
    Die Schüler antizipieren begründet die möglichen Folgen des aus der «Serbischen Frage» herrührenden Konflikts und formulieren
     dabei im Unterrichtsgespräch hypothesenartig denkbare «Kraftproben».
     
    Ehrlicher Entwurf
     
    Die Schüler lesen die Hypothesen aus ihrem Hefter vor, ohne dass Sie als Besucher es merken.
    Didaktische Reserve
    Tatsächlicher Entwurf
     
    Mittels der verschiedenen Hypothesen erkennen die Schüler das Vorhandensein verschiedener Handlungsoptionen in der damaligen
     historischen Situation. Dies weckt das Interesse, damals mögliche Handlungsoptionen in den kommenden Stunden vertiefend auszuloten,
     zum Beispiel in einem Planspiel.
     
    Ehrlicher Entwurf
     
    Auf mein Räuspern hin wird Mirsat folgende Erkenntnis formulieren: «Dass hier verschiedene Möglichkeiten an der |117| Tafel stehen, zeigt doch, dass Geschichte nicht vorgezeichnet, sondern immer auch vom Verhalten der Akteure abhängig ist.»
     Nach einem weiteren Räuspern wird sich Lena melden und die Stunde mit folgender Äußerung beschließen: «Also, bei mir weckt
     die Erkenntnis, dass Geschichte nicht vorgezeichnet ist, das Interesse, die damals möglichen Handlungsoptionen noch vertiefend
     auszuloten. Ein Planspiel wäre toll! Können wir das vielleicht machen?»
    Raum 103, Mittwoch, 11.23   Uhr, 4.   Stunde, Französisch 10a
    Mahmoud: Scharmuta!!
    Ich: Mahmoud!!
    Serpil: Pic!!
    Ich: Serpil!
    Mahmoud: Kis Imak!
    Serpil: Labunya!!
    Ich: Serpil! Mahmoud! Wenn ihr jetzt nicht ruhig seid, dann   …
    Mahmoud: Benik Imak!
    Ich: … bekommt ihr einen Tadel.
    Serpil: Dönme!
    Ich: Okay, Serpil! Du bekommst einen Tadel!
    Serpil: Tschüüüsch! Wieso ick!? Ick hab doch ja nischt jemacht.
    Ich: Und du auch.
    Mahmoud: Wieso? Wassolldass? Herr Serin! Ham Sie’n Problem?! Ham Sie was gegen Araba? Wolln Sie schlagen?
    Ich: Ich hab euch mehrmals ermahnt.
    Mahmoud: Hayuen!!!

|118| 18
Noch vierzig Minuten bis zum Pausenklingeln
    Frau Stahls ernster Blick war keine Hilfe. Seit etwa einer Minute lief mein Unterricht. Mir waren diese sechzig Sekunden vorgekommen
     wie eine halbe Ewigkeit. Anders als meine Geschichtsseminarleiterin schauten mich die Schüler meiner 9b zwar freundlich an,
     waren aber offensichtlich nicht in der Lage, das von mir intendierte Verhalten abzurufen.
Der stumme Impuls ist ein bei allen Ausbildern gern gesehener Einstieg, auch bei mir
. Diese Empfehlung von Herrn Schubert klang mir noch in den Ohren.
Die Schüler nonverbal durch provokative Bilder, Karikaturen , Zitate oder Schlagworte zu freien, assoziativen Äußerungen bringen.
Doch meine Schüler sagten einfach nichts.
    Dabei hatte ich den Einsatz von Zitaten als «stumme Impulse» zwei Wochen lang in sechs aufeinanderfolgenden Stunden geübt.
     Was war mit meiner Klasse los? Fürchteten die Schüler, etwas Falsches zu sagen? Wegen der Stahl da hinten in ihrem grauen
     Hosenanzug? Bei ihr am Zehlendorfer Berta-von-Suttner-Kolleg klappte der stumme Impuls immer. Jetzt zog diese strenge Frau
     mit der Marathonfigur ihre schmalen Lippen missmutig lang. Was sollte ich nur tun? Das Zitat an der Wand weiter wirken, weiter
     kostbare Zeit verstreichen lassen, in der Hoffnung, dass Tung oder Vincent noch einen Geistesblitz hatten? Oder Nico oder
     Lena? Oder sollte ich von meiner Planung abkommen, um zeitlich nicht völlig den Anschluss zu verlieren?
    Frau Stahl vertiefte sich nun in meinen Unterrichtsentwurf und strich irgendwas an. Vermutlich einen Tippfehler. Sie würde
     mir |120| wohl nachher wieder einen Vortrag

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