Föhn mich nicht zu
meinen Entscheidungen und
der Umsetzung meiner Planungen überzeugt. Wenn es um meine Fähigkeiten als Lehrer ging, plagten mich Selbstzweifel in einer
Weise, die ich in anderen Lebensbereichen nicht kannte. Und die Rückmeldungen durch meinen Hauptseminarleiter, meinen Direktor
und meine Seminarleiterin für Geschichte waren auch nicht dazu angetan, mein Selbstbewusstsein zu stärken. Trotzdem war ich
guten Willens, den Rat von Frau Lau zu beherzigen und im Gespräch mit Herrn Schubert auch Stärken zu benennen.
Herr Schubert wies mir einen Platz an seinem Besprechungstisch zu, anschließend setzte er sich mit seinem Bewertungsraster
zu mir. Er trug wieder seinen dunkelbraunen Anzug und seine gestreifte Krawatte. Aus seiner Jackettinnentasche zog er seinen
schweren, schwarz-goldenen Kugelschreiber.
«Herr Serin, dann legen Sie mal los! Was haben Sie sich für Gedanken gemacht?»
Ich atmete innerlich tief durch. Jetzt musste ich mich gut verkaufen, |154| ohne unglaubwürdig zu werden, denn einer von den richtig guten Referendaren war ich in Herrn Schuberts Augen nicht.
«Also, ich fang mal an. Ich geh einfach die verschiedenen Kompetenzen durch. Im Bereich Selbst- und Rollenkompetenz, da hab
ich mich schon verbessert, würde ich sagen. Da war ich sehr unsicher am Anfang, ob ich richtig als Lehrer auftrete. Das ist
zwar immer noch so, aber nicht mehr so stark. Das ist besser geworden, ohne Frage. Auch wenn ich manchmal ein bisschen konsequenter
sein müsste.» Herr Schubert schaute mich an, ohne mir durch seinen Blick oder verbal Zustimmung oder Widerspruch zu signalisieren.
«Soll ich jetzt weitermachen oder wollen Sie erst etwas sagen?»
«Nein! Nein! Erzählen Sie ruhig weiter.»
«Also gut. Ich komme zur Planungs- und Durchführungskompetenz: In der Planung von Einzelstunden, da bin ich auch besser geworden,
vor allen Dingen, wenn es um die einzelnen Phasen geht und um die Lernziele. Da hatten Sie mich ja am Anfang darauf hingewiesen,
dass ich daran noch arbeiten muss. Ich denke, das mache ich jetzt besser. Ich brauche jetzt auch nicht mehr so lange für die
Planung der Stunden.» Herr Schubert murmelte ein mehrdeutiges und verunsicherndes «Mhm», während er auf seinem Rasterbogen
etwas in einer Weise unterstrich, die mir nicht behagte. «Das heißt natürlich nicht, dass ich da nichts mehr verbessern könnte.
Ich denke, die Phasierung kann noch besser werden. Und natürlich, wenn es um längere Reihen geht, da muss ich noch besser
planen.»
«Was denn nun, Herr Serin? Gehört jetzt das Planen zu Ihren Stärken oder zu Ihren Schwächen?»
«Na ja. Verglichen mit den ersten Unterrichtsbesuchen plane ich jetzt besser, finde ich. Da bin ich stärker geworden … Aber ich muss natürlich noch besser werden. Ich bin noch nicht am Ziel … äh … genauso wie mit der Binnendifferenzierung. Ich hab |155| das schon gemacht. Aber nur hin und wieder … Noch nicht oft genug.»
Herr Schubert legte seine Stirn in Falten. Und brummte ein hinterfragendes «Soso». Um dieses «Soso» nicht interpretieren zu
müssen, redete ich lieber weiter: «Ich komme mal zur Diagnostischen Kompetenz. Ich denke … also, ich bin mittlerweile eher in der Lage, die Stärken und Schwächen der Schüler zu analysieren.» Es machte mich nicht
sicherer, dass mich Herr Schubert auch im Sitzen deutlich überragte und ich darum zu ihm aufblicken musste. «Äh, ja … Und auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie ich den Lernprozess am besten beurteilen kann. Bisher sind das noch sehr stark
die Ergebnisse, die ich bewerte … Gerade bei Gruppenarbeit, das fällt mir nicht so leicht … Das ist mir aufgefallen. Genau! … So ist es! Da hab ich schon verschiedene Sachen ausprobiert. Aber da scheint’s ja keine Patentrezepte zu geben. Vielleicht
ist das auch nicht so schlimm … Wahrscheinlich nicht, oder?»
«Herr Serin, Herr Serin! Ich kann Ihnen nur eine Sache raten: Üben Sie sich darin, Ihre Überlegungen in klare Sätze zu fassen!
Was kann ich gut: erstens, zweitens, drittens … Was kann ich noch nicht so gut: erstens, zweitens, drittens … Woran möchte ich im nächsten Jahr arbeiten: erstens, zweitens, drittens. Sie haben eine Tendenz, die Sätze nicht zu Ende
zu sprechen. Es ist sehr schwer, Ihnen zuzuhören, weil Sie in Ihre Sätze mehrere, teils sich widersprechende Gedanken bringen.
Vielleicht stehen Sie sich selbst im Weg. Ich habe den Eindruck,
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