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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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über Kollegen verlauten lassen – das war schlimmer, als Mitschüler
     zu verunglimpfen. Nur wenn man als geschlossene, amorphe und nicht auseinanderdividierbare Masse in Erscheinung trat, saß
     man als Pädagoge auf Dauer am längeren Hebel. Damit einher ging die Verpflichtung, vernichtende Äußerungen von Schülern über
     das Aussehen oder über Verhaltensauffälligkeiten von Kollegen nicht dadurch zu bestätigen, dass man zugab, diese Besonderheiten
     seien einem ebenfalls bereits aufgefallen. Zu Beginn meines Referendariats hatte ich in dieser Hinsicht einen ziemlichen Fauxpas
     begangen. Karol aus der neunten Klasse wollte von mir wissen, ob ich Herrn Reich kenne. Ich verneinte und bat den Schüler
     um eine Beschreibung:
    «Na ja. Der riecht aus’m Mund immer nach Alkohol.»
    «Weißt du, Karol, das hilft mir jetzt aber nicht weiter. Fünfundvierzig Prozent aller Lehrer an dieser Schule haben regelmäßig
     eine Fahne.»
    Schon diese Äußerung hätte mir nicht unterlaufen dürfen. Aber dass ich meinen Schülern dann die von mir des Alkoholismus verdächtigten
     Kollegen in diversen Hofpausen auch noch zeigte, war ein Fehler, der nur einem Anfänger unterlaufen konnte und mir im Kollegium
     viele Feinde einbrachte.
    |214| Gegenüber Ferdinand würde mir so etwas nicht passieren.
    «Okay! Beleidigungen mal beiseite. Wie sieht Frau Jeschke aus?»
    «Na ja. Die sitzt im Rollstuhl.»
    «Aha!» Ich stellte mich unwissend. «Gibt es sonst noch etwas, woran man sie erkennen kann? Wie ist sie so vom Charakter?»
    Ferdinand konnte mir das natürlich beantworten, aber ich wusste längst, wen er meinte. Außerdem hätte mir eine Beschreibung
     ihrer Persönlichkeit sowieso nicht weitergeholfen, denn bisher kannte ich schließlich noch keinen Kollegen wirklich.
    In der nächsten Pause begegnete ich Frau Jeschke in der Kantine. Sie sprach gerade mit einem meiner Schüler:
    «Sag mal, kennst du Herrn Serin?»
    «Natürlich! Sie meinen den Zwerg.»
    Ihre Reaktion schockte mich noch mehr als die Äußerung des Schülers. «Ach, den meinst du. Wir nennen den Liliput. Aber nicht
     weitersagen!»
    Zu Hause, Dienstag, 16.32   Uhr
    Melanie: Schon wieder!? Aber du warst doch erst vor einer Stunde.
    Ich: Muss ich mich jetzt dafür auch noch erklären?
    Melanie: Hast du denn irgendwas gegessen, was vielleicht schlecht war?
    Ich: Mann!! Das ist wegen der Lehrprobe! Weißte doch!
    Melanie: Aber die ist doch erst nächsten Montag   … Mach wenigstens das Fenster auf.

|215| 35
«Ich verspreche dir, dass wir mal wieder Sex haben»
    «Drehst du mir jetzt auch noch den Rücken zu!? Ist ja toll! Wozu schlaf ick überhaupt noch bei dir?»
    «Mann ey! Muss dit jetzt sein?»
    Fünf Stunden am Computer hatte ich hinter mir und war nachts um eins erschöpft ins Bett gekrochen mit der frustrierenden Gewissheit,
     in der Planung meiner nächsten Lehrprobe in zwei Wochen keinen Schritt weitergekommen zu sein. Ich wollte einfach nur noch
     schlafen und mir nicht von Melanie Vorwürfe anhören müssen, weil ich falsch herum lag.
    «Leg dich doch gleich neben die Matratze.»
    «Is ja jut! Können wir dit vielleicht ein anderes Mal besprechen? Ich hab morgen nullte Stunde.»
    Melanie schwieg. Eine ganze Weile. Hatte sie etwa ein frühes Einsehen? Passte eigentlich nicht zu ihr. So weich und zart ihre
     äußere Erscheinung auch war, so hart und unnachgiebig war meine Freundin im Ausfechten von Meinungsverschiedenheiten.
    «Früher haste mir nicht den Rücken zugedreht.»
    «Oh, Mann, ey! Stimmt doch gar nicht! Ich hab dis auch früher so jemacht. Hab ick dir doch erklärt: Ick kann dir nicht das
     Gesicht zuwenden, weil ick mich sonst eingeengt fühle. Und weil ick dann keine Luft kriege. Ich brauch zum Schlafen freie
     Sicht.»
    Wieder Schweigen. Nur ihr leises Atmen war zu vernehmen.
    «Und außerdem ist die Rückenhaut sehr sensibel bei mir. Kannst dich ja gegen kuscheln. Ist ja nicht nur meine Aufgabe zu kuscheln.»
    |216| Immer noch keine Antwort.
    «Du fasst mich auch sonst nicht mehr an.»
    «Sag mal, spinnst du? Dit stimmt doch gar nicht!»
    «Doch.»
    «Neee!»
    «Doch!»
    «Nee!»
    Melanie konnte es einfach nicht lassen, durch pauschalierende und falsche Behauptungen überzogene Kritik an mir zu üben. Wenn
     wir stritten oder auch nur diskutierten, dann wurde sie zur undifferenziertesten und unsachlichsten Person, die mir je begegnet
     war. Immer. Ausnahmslos.
    «Dafür, dass wir schon so lange zusammen sind, und dafür, dass ich im

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