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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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besonders große Brille anführen. Ich musste dann so tun, als seien mir solche Merkmale
     noch bei keiner Lehrkraft aufgefallen. In meiner Vorbildfunktion durfte ich bei den Schülern keineswegs den Eindruck erwecken,
     Menschen über ihre Äußerlichkeiten wahrzunehmen.
    Als Lehrer durfte ich gegenüber Schülern Menschen nur als |211| Persönlichkeiten sehen, und wenn diese Persönlichkeiten selbst Schüler waren, dann als Erbringer von Leistungen. Am besten,
     man sprach vor Schülern nie über deren Mitschüler. Und wenn doch, dann nur in einer Weise, die keinen Anlass zu Spott boten.
     Übte ich im Französischunterricht Personenbeschreibungen, erschwerte mir das meine Aufgabe ungemein. Einmal ließ ich ein Spiel
     spielen, in dem es darum ging, in einer vorgegebenen Zeit einen Schüler aus der Klasse zu skizzieren, der anschließend von
     den anderen erraten werden musste. Die Klasse bildete zwei Mannschaften, und weil in der einen ein Mitspieler fehlte, sprang
     ich ein. Mein Selbstbild als Lehrer kostete unsere Mannschaft schließlich den Sieg, da ich bei den Charakterisierungen nicht
     auf die Äußerlichkeiten eingehen konnte, sondern nur auf Kompetenzen:
Die Sachkompetenz der Person ist solide und mit Einschränkungen verfügbar, allerdings nur teilvernetzt. Was die Mitarbeit
     betrifft, so sind die Beiträge meist nicht weiterführend und zeugen von geringem Ausdrucksvermögen. Die Beteiligung ist leider
     nur schwach und selten situationsgerecht. Im Bereich der Methodenkompetenz gelingt es der Person nur mit Einhilfe, die angemessenen
     Strategien, Methoden und Techniken zu finden, wobei das Zeitmanagement eindeutig defizitär ist. Das zeigt sich auch in der
     Lernsteuerung, wo die Person nur bei begleitender Animation geeignete Lernstrategien findet. Erfreulich ist die Kooperation
     der Person: Sie entwickelt Initiative, übernimmt Verantwortung und zeigt Fähigkeit zur Selbstkritik.
Da ich Französisch sprach, verwundert es im Nachhinein nicht, wieso uns Punkte durch die Lappen gingen. Ein einfaches:
Die Person ist fett und riecht
hätte uns den Sieg beschert, mich als Vorbild aber unwiderruflich diskreditiert.
    Dabei nehme ich Menschen fast ausschließlich über Äußerlichkeiten wahr. So merke ich mir beispielsweise am schnellsten die
     Namen der Schüler, die auffällige körperliche Defizite haben, oder Schülerinnen, die besonders wohltuend für mein Auge sind. |212| Leistungen im Unterricht hingegen sind das denkbar wirkungsloseste Mittel, um sich in meinem Gedächtnis festzusetzen. Auch
     wer sich bei mir jede Stunde noch so sehr ins Zeug legt – wenn er nicht wenigstens eine kleine körperliche Anomalie oder eine
     interessante Verhaltensauffälligkeit hat, kann er nicht erwarten, dass ich am Ende des Schuljahres seinen Namen bereits weiß.
    Dass ich nicht der einzige visuelle Typ bin, erfuhr ich regelmäßig im Lehrerzimmer. Hier, geschützt von den Wänden einer ganzen
     Institution, wurde deutlich offener als in den Klassenräumen geredet. Oft hatte ich erleben müssen, wie Kollegen, wenn sie
     nicht sicher waren, ob sie über den gleichen Schüler sprachen, äußerliche Merkmale heranzogen:
    «Dennis aus der Achten? Das ist doch der mit den vielen Pickeln?»
    «Nein! Das ist Robert.»
    «Ach so! Aber wer ist dann Dennis?»
    «Dennis lässt immer den Mund offen stehen, so, als sei er schwachsinnig.»
    «Ach, den meinst du! Na klar. Ich glaub, der ist aber wirklich ein bisschen schwachsinnig.»
    Oder ein anderes Beispiel: «Meinst du Cindy Kröger?»
    «Nein, nicht Cindy Kröger. Cindy Schmidt.»
    «Die, wo der Arsch immer so rausguckt, mit den großen Möpsen?»
    «Genau! Warum die überhaupt noch auf der Schule ist und nicht auf ’m Strich, wundert mich bei ihrem Aussehen echt.»
    Natürlich sind nicht alle so ehrlich. Lehrerinnen achten auch gegenüber Kollegen mehr auf die inneren Werte:
    «Dennis aus der Achten. Das ist doch so ein ganz Fleißiger, oder?»
    «Nein! Das ist Robert.»
    |213| «Ach so! Aber wer ist dann Dennis?»
    «Dennis ist manchmal fleißig, manchmal unaufmerksam.»
    «Ach, den meinst du! Na klar. Ich glaub, der ist aber manchmal auch ein bisschen überfordert.»
    Oder ein anderes Beispiel:
    «Meinst du Cindy Kröger?»
    «Nein, nicht Cindy Kröger. Cindy Schmidt.»
    «Die, die immer so frech ist?»
    «Genau! Bei der wundert mich, warum die überhaupt noch auf der Schule ist und nicht schon im Heim.»
    Lehrer durften vor Jugendlichen aber ebenso wenig Abwertendes

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