Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
meine Sicherheit ab.
Ich werde
mich ändern. Keine PC-Sonderaktivitäten mehr. Ich will doch nicht ein PC-Autist
werden. Normale Schulleistungen. Wie es sich gehört, spezialisiere ich mich auf
Sprachen, auf künstlerische Fächer. Sport nur vorsichtig, dass ich keinen Unfall
baue. Gute Zahnhygiene. Alles, um den Kontakt mit Ärzten und Spitälern zu vermeiden.
Kein Alkohol, keine Drogen. Kein Notebook. Tagebücher sind viel zu gefährlich. Kein
Facebook, kein bloggen. Zumindest die nächsten zehn Jahre. Dann wird sich auch zeigen,
wie sich die Welt weiterentwickelt.
9
Countdown
Böse war eine kalte Emotionalität.
Böse war eine Qualität der Erde, der Menschen, des menschlichen Bewusstseins.
Er war mehr
als böse, er hasste. Wie sehr er hasste. Die Tat verband ihn mit Zeit und Raum.
Er bewegte sich innerhalb der messbaren Wirklichkeit, deshalb ein Countdown. Könnte
die Kausalität überwunden werden, hätte er es nicht mit Menschen und menschlichen
Gegebenheiten und Materie zu tun, könnte er mit den Fingern schnippen, schneller
noch, ein Wimpernschlag, wumm, die Explosion wäre ausgelöst. Blitzartig wären sie
alle getroffen, krepierten qualvoll innerhalb weniger Minuten. Es hinge von der
jeweiligen Konstitution ab. Doch getroffen wären sie ausnahmslos alle. Das 1000-fache
Verrecken war der Höhepunkt seines Traums. Die Schreie, das Kreischen und Heulen,
die Zuckungen und Verrenkungen, die Exkremente, der Schaum und das Blut, er genoss
die totale Zerstörung des Menschlichen, die Übersteigerung, die Hitze, das Grauen,
dies alles wollte er verlängern bis in alle Ewigkeit. Das war der Sinn seiner Existenz.
Er war Nacht, war Grauen, war der Vernichter.
Heute war er eiskalt, nichts
würde ihn im Entferntesten aus dem Takt bringen. Tief sog er an seiner Zigarette.
Ganz sicher nicht der Selbstmord eines jugendlichen Versagers. Dass sich ausgerechnet
der junge Berry ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt umbrachte, das war ein Querschläger
aus einer von ihm nicht erwarteten Richtung, es machte ihn wütend. Der Berry machte
ihn wütend, die Irritation. Genau genommen war nichts geschehen. Er hatte genügend
jugendliche Nichtsnutze an Drogen krepieren sehen. Wobei dann der Tod dem Verrecken,
wenn kein Stoff da war und ein buchstäbliches Krepieren folgte, auf jeden Fall vorzuziehen
war. Ein jugendlicher Selbstmord lag auch noch im Bereich des Möglichen. Das lag
meist an fehlendem Testosteron – oder sie hatten eben doch ein paarmal zu viel gekifft.
Die wurden doch alle schlaff. Mit Drogen hatte der nichts zu tun gehabt, also kannten
seine Informanten ihn nicht. Sportler eben. Nicht, dass der tot war, war das Problem.
Es ging nicht um den Tod, sondern darum, dass dies zum falschen Zeitpunkt kam. Im
Grunde genommen war es ein Witz gewesen. Ein Witz im Witz.
Wie immer arbeitete er mit
Chirurgenhandschuhen. Er klappte das Plastikgehäuse auf. Jetzt kam der geilste Teil
seiner Arbeit. Das Innere lag offen da, natürlich dachte er an die auseinandergespannten
Schenkel einer Frau, ihre Eingeweide. Neben der flachen Batterie, die den Funkmechanismus
auf Distanz gewährleistete, von fast exakt der gleichen Größe der eigentliche elektronische
Zündmechanismus, der auf sein Funksignal reagierte. Daran angeschlossen die spezielle
Sprengladung, größer als er erwartet hatte, die hochgehen musste; nicht um die Ampulle
zu zerstören, die ließe sich mit wenig Kraft zerbrechen, sondern um den Giftstoff
mit der Druckwelle blitzartig zu verbreiten. Dazu kam dann die psychologische Wirkung
ihrer Zerstörung. Es musste optisch Angst und Schrecken ausgelöst werden, im Stadion
und durch die Medien in der Welt. Die laufenden Kameras der anwesenden Medienleute
würden vor deren Krepieren noch während sicher einer halben Minute den Horror verbreiten.
Sorgfältig holte er die Ampulle aus dem Aktenschrank. Gestern hatte er sie genau
nach Vorgabe aus dem Tiefkühler genommen. Jetzt waren die Viren aktiviert. Behutsam
legte er sie an die dafür vorgesehene Stelle im Gehäuse, legte eine halbe Plastikklammer
genau darüber, klickte sie ein. Jetzt stellte er das Uhrwerk ein, verglich mit dem
Funkgerät. Mit der Spitze der Ahle seines Taschenmessers drückte er in der kleinen
Vertiefung die winzige Klappe, sie rastete ein. Jetzt war die Bombe scharf. Er klappte
den Deckel des Gehäuses zu, zog die Plastikschräubchen an. Über das Ganze zog er
jetzt sorgfältig die weiche Polstertasche. Mit dem edlen Bally-Aufdruck wirkte sie
wie
Weitere Kostenlose Bücher