Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
das
möglich wäre, es wäre das Einfachste und Sicherste. Doch so ein verdammter Kampfstoff
kann sich auch bloß auf der Durchreise durch die Schweiz befinden. Zudem ist es
nur eine Vermutung. Mir fehlt auch der Link zum Stadion oder zum Spiel von heute.
Fast hätte ich auf ein Drohschreiben gehofft. Ohne das kann ich ein Verbot nicht
begründen, das geht allein schon wegen der finanziellen Einbußen nicht. So ein Spiel
füllt in allen Bereichen die Kassen.« Pamela blieb die Sprache weg. »Das kann doch
jetzt nicht dein Ernst sein? Du redest von einem Terroranschlag im Stadion?« Resigniert
schüttelte Tizian den Kopf, atmete tief ein: »Heute. Der Anpfiff ist in zwölfeinhalb
Stunden. Zumindest konnte ich gestern arrangieren, dass der hohe Besuch aus Amerika
heute Abend völlig überraschend seine Pläne ändert. Anstatt zum Spiel wird er zu
einem Privatbesuch nach Montreux geflogen. Die Außenministerin zumindest wird nicht
im Stadion sein.« Pamela hakte nach: »Du meinst, wenn ein Anschlag der Außenministerin
gilt, dann schickst du sie einfach weg, und an ihrer Stelle sollen ein paar andere
draufgehen? Du kriegst doch diese Attentäter! Du wirst doch wohl einen Anschlag
verhindern, der in einem Stadion stattfinden soll! Du musst das Spiel verbieten!«
Tizian drückte den Knöchel seines Zeigefingers leicht an seine oberen Schneidezähne,
atmete wieder tief ein: »Es ist unrealistisch. Es wäre eine Kapitulation vor terroristischer
Erpressung. Es wäre das, was der Terror bezweckt: Dass wir uns alle zu Hause verschanzen,
uns nicht mehr auf die Straße wagen.« Pamela fuhr auf: »Du redest, als hättest du
es aus dem Lehrbuch, genau das ist doch die Überzeichnung! Hast du mich deshalb
kommen lassen, damit ich dir so etwas absegne? Willst du noch sagen, die Demokratie
sei in Gefahr, wenn keine Großveranstaltungen mehr stattfinden? Genau derartige
Massenveranstaltungen sind doch das Antidemokratischste, das du dir denken kannst!«
Tizian konterte, »Siehst du nicht, dass gerade dein Warnfinger gegenüber einer Massenveranstaltung
elitär ist, weil dies eine Überheblichkeit ist denen gegenüber, die Spaß daran haben?«
Pamela war empört: »Wenn du so über mein Denken urteilst, wozu bin ich überhaupt
hier?« Jetzt lachte Tizian hart: »Exakt weil du so denkst, und weil ich dir 100-prozentig
vertraue. Ich wäre dir dankbar, du wärest heute dicht an meiner Seite, auf Schritt
und Tritt. Es wäre mir wichtig, du würdest mit mir in der Kommandozentrale im Stadion
sitzen und auf die Monitore schauen.« Pamela schüttelte den Kopf: »Nein. Es ist
nicht, weil ich heute sowieso mein eigenes Programm habe, aber du hast doch einen
Einsatzstab, in dem sitzen sowieso qualifizierteste Psychologen. Die kennen deine
Fragen und deine Täter und deine Möglichkeiten besser als du. Die würden sich bedanken
über eine ›Schattenregierung‹.« Tizian schnalzte mit der Zunge: »Siehst du, deinen
Scharfblick brauche ich; ganz nebenbei, was du sagst, stimmt haargenau. Doch ich
habe dir von meinem Verdacht auf einen Maulwurf gesprochen. Natürlich könnte dieser
sogar in meinem Leitungsstab sitzen, jeder könnte es sein. Ich habe deshalb die
Kommandostruktur für heute total reduziert, sie ist schlanker als schlank: Ich bin
die Spitze, beraten wird nicht mehr, nur entschieden, kommandiert und ausgeführt.«
Pamela musste
nicht weiter überlegen. Sie sah auf die Uhr, neun Uhr, Lucius wartete. »Gut, du
hast mich überzeugt. Ich habe dir gesagt, ich habe für heute schon einiges geplant.
Gib mir eine Stunde, dann stehe ich dir den Rest des Tages zur Verfügung. Doch schick’
deine Spezialisten nicht weg.«
Tizian schien
erleichtert zu sein, was Pamela ein mulmiges Gefühl gab, sie kannte sich weder bei
Massenveranstaltungen noch bei der Sicherung eines Stadions, geschweige denn bei
einem Terroranschlag und seinen Folgen, aus. Jetzt wehrte sie ab: »Die Sache könnte
so schlimm sein, dass du ein biblisches Wunder brauchtest. Das kann ich nicht bieten.
Ich kann dir einzig helfen, vielleicht nichts zu übersehen, einen kühlen Kopf zu
bewahren, ich weiß nicht.« Tizian widersprach eifrig: »Du bist zu bescheiden, du
wirst sehen, du wirst genau am richtigen Punkt einhaken, das kenne ich von dir.«
Pamela schluckte.
Sie wurde
von der Ordonnanz nach Hause gefahren, was fünf Minuten dauerte und ihr einen Spurt
durch Bern ersparte. Nein, ihr Chauffeur brauchte nicht zu warten. Sie würde mit
ihrem eigenen Auto ins Stadion fahren.
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