Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
ihre
eigenen und in die Pelerine, machte, dass sie wieder auf die Straße kam. Es war
jetzt halb zehn. Hinter dem ersten Bauernhaus links stand, genau wie Gary gesagt
hatte, der Opel, ein kleines Auto. Der Autowechsel war wichtig, weil die Radarinstallationen
im Tunnel der Thuner Allmend jedes Auto registrierten. Hier steckte der Schlüssel.
Nein, jetzt hielt sie es keine Minute länger aus in den Gummihandschuhen. Dieses
Auto war eher eine Schlotterbüchse, Pamela hatte das Gefühl, in jeder Kurve fahre
es aus der Spur. Erst in Wimmis auf der Autobahn löste sie das Band der Kapuze,
zog einhändig ein breites Haarband über den Kopf, tief über die Ohren und in die
Stirn; bei den Thuner Kameras würde sie zusätzlich den Kopf etwas senken.
Morgen nach
dem Hundespaziergang würde sie nachsehen wollen, wie es Francis gehe. Er wäre nicht
da, sie fände seinen Abschiedsbrief. Dann würde sie auch realisieren, dass er mit
dem Rennrad gefahren sein könnte. Dann würde sie einen seiner Kollegen anrufen,
einen Lehrer, auch Gary, dann würde sie die Suche ins Rollen bringen.
Durch die
Kollegen vom Kanu-Club würden sie auf die Simme kommen. Beni, der Bootskollege,
würde sich an eine seltsame Äußerung von Francis erinnern: Wenn einer bei Hochwasser
in der Simme unglücklich kentert, hat er Mühe, überhaupt wieder ans Ufer zu kommen,
das reißt dich einfach mit. Nach einer Pause habe Francis angefügt: Wenn du dabei
den Kopf aufschlägst, duselig bist und ersäufst, reißt es dich bis in den See, da
gibt es Untiefen, da werden nicht alle wieder gefunden. Nach einer weiteren Pause
habe er ergänzt: Auch nicht, wenn du dich umbringen willst.
Oben bei
der Holzbrücke würde sein Rad gefunden. Möglicherweise erinnerte sich sogar jemand,
einen Radfahrer gesehen zu haben. Sie würden seine Jacke mit dem Handy, seine Mütze,
vor allem den Revolver finden. Vielleicht fände man bei der Suche dann seine Schuhe,
seine Uhr, möglicherweise auch nicht, nicht bei diesem Hochwasser.
Pamela war
zu ihrem Erstaunen schon auf der Höhe von Rubigen. Sie nahm die Ausfahrt beim Freudenberg,
fuhr Richtung Monbijoubrücke, sie hatte sich auch diese Route gut gemerkt. Den Opel
parkte sie auf einem der Parkplätze unter dem Kochergut. Gary würde sich darum kümmern.
Um Viertel vor elf war sie wieder vor dem Bubenbergkino, aus dem eben die Leute
strömten. Sie ging zu Fuß die Lauben hinunter, war um elf daheim.
Durchnässt
und durchgefroren stieg Pamela die Treppe hoch. Lucius saß zeitungslesend im Wohnzimmer,
Cooper kam ihr schwanzwedelnd entgegen. Lucius sah hoch: » ç a va? Alles gut gegangen?«
»Es ging
ja nur um das Rennrad. Es war ein unglaubliches Wetter oben im Tal, das hat gleich
nach Thun angefangen. Das Fahren war mühsam.« Sie wusste, er wusste, wie mitgenommen
sie war. Sie erlaubte sich auch jetzt noch nicht, richtig daran zu denken: Sie hatte
Francis weggehen lassen. Es war ein Weggehen für immer. Sie trank eine heiße Milch.
Lucius hatte ein Kaminfeuer gemacht.
Lucius war
schon zweimal hochgeschlichen. Nein, die Vorhänge waren nie zugezogen, es würde
auffallen, wenn es heute anders wäre. Er sei auch nicht bis zum Fenster gegangen,
er habe ja keine Lust, von einem Heckenschützen an Francis Stelle erschossen zu
werden. Er habe aber darauf geachtet, dass sein Schatten ins Fensterviereck fiel,
das würde einem Beobachter genügen, er wäre sich sicher, Francis wäre noch immer
im Haus. Zweimal habe er die Toilettenspülung betätigt, er würde bezeugen können,
er hätte gehört, dass Francis um Mitternacht noch da war.
Josys Notebook
Verzweiflung
Auch wenn
ich diese Ungeheuerlichkeit weiß, habe ich keine Chance, damit durchzukommen. Ich
bin minderjährig. Meine Familie hat die Möglichkeit, mir Medikamente zu geben, mich
in Behandlung zu geben, mich als schizophren und suizidgefährdet verschwinden zu
lassen. Es sind Anschuldigungen, die ich nicht beweisen kann. Ich muss ganz schnell
erwachsen sein, das heißt, die Verantwortung für mich übernehmen. Jetzt ist bald
Sommer, das Schuljahr beendet. Ich werde in das Internat wechseln. Von dort komme
ich nur noch in den Ferien nach Hause, und auch das wird nicht mehr nötig sein.
Die Ferien kann ich mit Sportkursen und Sprachkursen verbringen. Meinen Vater und
meine Stiefmutter sehe ich noch besuchsweise. Sie werden dies nicht allzu sehr bedauern.
Nie, das schwöre ich, nie werde ich ein einziges Wort über diese ganze Geschichte
verlieren. Davon hängt nicht nur
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