Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Sie
stapften durch die etwa kniehohe starke Strömung, holten sie herüber.
*
Nils Rebmanns Leiche wurde Tage
später im Wehr entdeckt, eingekeilt zwischen Ästen und Baumstämmen.
Sein Countdown
war zu Ende
12.
Die offizielle Version zum Schließen
von Francis’ Akte war: Nach dem Unfalltod des Vaters und dem psychischen Zusammenbruch
der Mutter ist der Jugendliche Francis Berry gleichfalls zusammengebrochen und hat
sein Leben beendet.
Seine Klasse
hat seinen Freitod angemessen thematisiert und aufgearbeitet. Es wurde ein offizieller
Gedenkgottesdienst abgehalten.
Pamela hatte sich in eine der hinteren
Kirchenbänke gesetzt. Vorne saßen Francis’ Schulklasse, ein paar Lehrer und seine
Kollegen des Kanu Clubs. Der Freundeskreis seiner Eltern hatte sich eingefunden,
Josy saß sehr würdig neben ihren Eltern. Sie hatte Pamela beim Hereinkommen mit
einem Blick gegrüßt.
Tizian war
da, Gary fehlte. Offiziell hatte Gary Francis ja gar nicht gekannt. Lucius hatte
beim Abschied gemeint, in Alaska seien die Zustände nicht viel besser, aber es atme
sich freier, die Distanzen seien etwas größer. Sie überlegte, wie weit auch Tizian
von Alaska träumen mochte.
Pamela hatte sich mit den Vorwürfen
der Verwandten konfrontiert gesehen. Nein, sie hatten überhaupt kein Verständnis
dafür, dass sie vom labilen Zustand ihres Schützlings nichts bemerkt hatte. Er hätte
professionelle Hilfe gebraucht. Ebenso enttäuscht hatte sich die Schulleitung gezeigt.
Sie habe doch Psychologie studiert. Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen, also
war nichts dazu zu sagen. Jetzt setzte sie die große Sonnenbrille auf, so konnte
zumindest niemand in ihren Augen das Lachen entdecken.
Emily kümmerte sich um Maude. Pamela
würde auch Josy mit Emily zusammenbringen.
Pamela hatte
sich mit Josy getroffen. Josy wusste, eines Tages würde Pamela ein Land nennen,
einen Ort. Sie hatte Josy getröstet, du könntest auch Reiseschriftstellerin werden.
Josy würde
den Weg finden, würde ihn wiedersehen. Sie würde wissen, ob das nun Liebe gewesen
war, die ein Leben dauert oder ob sie einem pubertären Schwarm entwachsen war.
*
War sie denn nicht ein absolut friedlicher,
ja eigentlich ein netter Mensch? Und doch stolperte sie jetzt das zweite Mal in
ihrem Leben in eine derart ungute Geschichte. Sie war keine Polizistin, sie wollte
nie eine sein und würde nie eine werden. Das Verbrechen zog sie nicht an.
Wenn sie
dann nicht mehr von Verfolgungsjagden, von bösen Menschen, die ihr auflauerten,
von verwinkelten Gassen, Treppen und Stiegen träumte, wenn sie sich im Traum nicht
mehr verzweifelt in irgendein gutes Versteck duckte, in dem das Böse sie nicht entdecken
sollte, sie brauchte bloß stillzuhalten, wenn diese Ängste sie nicht mehr in den
Schlaf verfolgten, dann könnte sie in aller Konzentration an ihrem wundervollen
Buch über Gartenlabyrinthe schreiben. Womit du dich beschäftigst, das träumst du
eben.
Cooper gehörte halt jetzt dazu,
Cooper war nicht das Problem, im Gegenteil, ihre Tage hier in der Stadt waren gezählt.
Nein, sie
ging nicht zurück zu Robert auf sein Schlösschen. Das wäre ein Unterkriechen, ein
Aufgeben. Ihre Ziele hatte sie noch nicht erreicht, sie war einfach ein bisschen
aufgehalten worden. Zunächst würde sie das Buch schreiben. Die Vorarbeiten waren
abgeschlossen. Sie würde weit hinten im Jura wohnen, das war Alaska ähnlich, und
ihr Französisch war ja ausreichend gut. Sie hatte in der Zeitschrift ›Tierwelt‹
ein Inserat gefunden, hatte schon telefoniert. Es handelte sich um einen Hausteil
auf einem Juraberghof. Sie wäre also nicht ganz allein. Zunächst ging es um eine
Sommermiete von drei Monaten, auf Probe. Sie würde in zwei Tagen hinfahren, im Vorbeifahren
Merlin mitnehmen. Cooper und Merlin wären willkommen.
E N D E
Dass sie ein Wanderer wäre, eine,
die nicht sesshaft sein konnte. Ein Pilger, unterwegs. Das Kennzeichen sind Pilgerkutte,
ein einfaches, sackförmiges Kleid, wetterfester Pilgerhut und der lange Pilgerstab
als Stütze und Waffe. Die Wanderschuhe, heute eher komfortabel, ein Pilgersack,
in den erbetteltes Essen gesteckt wird. Man braucht nicht viel, wenn man unterwegs
ist. Doch es ist nicht der Weg, der das Ziel ist: Das Ziel ist das Ziel – ein Heiligtum.
Es genügt nicht, unterwegs zu sein, sie will ankommen.
Verena Wyss
Blutrunen
E-Book: 978-3-8392-3570-6 / Buch: 978-3-8392-3570-6
»Spannend und
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