Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
hin. Das konnte, das durfte nicht
sein. Sein Signal kam nicht durch. Er musste sofort an seinen Geheimort gehen. Sein
Gefühl sagte ihm, dass er sich sehr beeilen musste.
Das Auto
ließ er ganz unten in der Stadt stehen, eilte die Lauben hoch durch das samstägliche
Bern. Er knirschte mit den Zähnen, weil alles so normal war, wenige Spaziergänger,
weiter oben lachende Menschengruppen, die ersten Fahnen zur Feier des Spiels. Im
Gässchen lungerten wie immer ein paar Jugendliche. In seinem Raum angelangt, erlebte
er die böse Tatsache, dass sein PC tot war, total abgestürzt. Dafür gab es jetzt
nur eine plausible Erklärung, er war aufgeflogen. Das hieß, Füsslis Leute würden
diesen Raum über kurz oder lang stürmen. Das war dann also das Ende seines Berner
Aufenthalts. Nun, in der Not zeigt sich die Qualität, jetzt galt es, die Nerven
zu bewahren. Er öffnete die Rauchklappe am verputzten Kamin, zog an einem dünnen
Draht eine kleine Mappe hoch, hatte falsche Papiere, Kreditkarten, Bargeld. Er benutzte
den Geheimausgang durch das Hotel. Natürlich war er zu Fuß, Füssli hatte ganz sicher
schon Straßensperren errichtet.
11.
Sonntag
Pamela erwachte
erst kurz vor neun Uhr. Da war ein gleichmäßiger Ton in der Luft – erstaunt meinte
sie, das Rauschen der Aare zu hören. Sie ging ans offene Fenster, hörte das Wasser.
Das hieß, dass gestern in den Bergen weitere Unwetter niedergegangen waren.
Lucius hatte
gestern spät noch auf ihre Heimkehr gewartet. Natürlich hatte er wie abgesprochen
das Spiel im Fernsehen verfolgt, sodass zumindest klar war, es hatte kein Attentat
gegeben. Wie knapp sie an einem großen Unglück vorbeigegangen waren, erschütterte
ihn nachträglich. Das war wie Krieg, den nicht einmal seine Generation sich hier
und jetzt denken konnte. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, mit Pamela ein Glas
Wein zu trinken und auf das Leben anzustoßen: »Man weiß nicht, wozu man auf der
Welt ist. Doch das, was du heute geleistet hast, war vielleicht der Grund, dass
es dich gibt.« Lucius war auch stolz auf Josy. Wie ging es ihr, und hatte sie realisiert,
wie groß ihr Hackertalent war, dass sie damit buchstäblich Tausende von Menschen
gerettet hatte? Wo war sie denn jetzt? Pamela erzählte beeindruckt, mit welcher
Sturheit Josy gehackt hatte. Geredet habe sie fast nichts, sie leide um Francis.
Josy sei noch da gewesen, als die Bombe entfernt worden sei, Lucius könne sich gar
nicht vorstellen, unter was für einem unglaublichen Druck sie alle gestanden hätten,
und wie das alles Schlag auf Schlag auf sie eingeprasselt sei. Diese Hektik! Pamela
schüttelte sich in der Erinnerung. Sie spürte es noch jetzt im innersten Mark. Sie
hätten es auf dem Monitor gesehen. Es sei ein absoluter Schock gewesen, wie das
nackte Plastikgehäuse von Spezialisten behutsam in einen Spezialbehälter gehoben,
wie dieser verschlossen und der Verschluss gesichert wurde. Dann hätten sie diesen
Behälter gleich hergebracht. Dieses Wissen, dass darin ein hochgiftiger, todbringender
Stoff war, der direkte Tod! Sie denke, sie sei im Schreck buchstäblich erstarrt.
Da war Josy schon weg gewesen. Pamela hatte ihr noch eine SMS geschickt, ob es ihr
gut gehe. Doch da sei Josys Handy noch oder schon wieder ausgeschaltet gewesen.
Sie sei geblieben, um mit eigenen Augen zu sehen, wie ein Aufgebot der Militärpolizei
den Behälter holte, der ins Labor nach Spiez gebracht werden sollte. Es waren Männer
in Zivil und bewaffnete Soldaten im Kampfanzug. Mit Tizian sei sie mit diesen Militärs
durch einen leeren Korridor des Stadions in eine große unterirdische Sondergarage
gegangen, wo ein gepanzertes Militärfahrzeug wartete. Dieses und zwei große Geländewagen
seien durch ein Schiebetor in einen beleuchteten Tunnel gefahren, das Tor habe sich
wieder geschlossen, und sie sei mit Tizian zurückgegangen. Vor dem Kommandozentrum
habe sie sich von ihm getrennt und sei gegangen. Die Matchbesucher seien schon weg
gewesen. Überall seien Sicherheitsleute gestanden, die Zeit gehabt hätten, ihr nachzuschauen.
Ihr Auto sei eines der letzten gewesen, das noch bei der Ausstellungshalle stand.
Da habe sie wieder versucht, Josy zu erreichen, ob sie auch gut nach Hause gekommen
sei, doch Josy habe wohl schon geschlafen.
Lucius hatte
mitfühlend zugehört. Diese unterirdische Anlage mochte ein Teil jener Bauten sein,
die Francis nach den Plänen seines Vaters gesucht hatte. Zumindest waren sie jetzt
nicht länger geheim zu halten. Nun hatte
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