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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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ich mich großzügig bei Wilmas Kosmetik mit Make-up bedient. Vater kennt mich
nur mit offenen, langen Haaren, also hatte ich sie in dünnen Zöpfchen hochgesteckt.
In meinem grässlichen grauen Armani-Dress, in dem ich zehn Jahre älter aussehe,
saß ich in der Lounge des Hotels an einem etwas verdeckten, kleinen Tisch und genehmigte
mir einen Campari Soda. Ich hatte die größte Zeitung vor mir aufgeschlagen auf das
Tischchen gelegt, an meinem Glas würde ich bloß nippen, ich wollte mich ja nicht
vergiften. Ein netter älterer Kellner bediente. Sein Namensschild wies ihn als Louis
aus. Ich vertraute ihm auf den ersten Blick. Als mein Vater durch den Eingang kam,
er war nicht allein, sondern zu meinem Erstaunen in Begleitung einer gepflegten
Frau mit forschem Schritt, winkte ich Louis zu mir. So verdeckte er mich auch gleich
vor einem allfälligen Blick meines Vaters in meine Richtung.
    »Bitte,
ich muss wissen, wer dieser Mann ist und mit wem er sich trifft.« Ich fühlte Louis’
aufmerksames Erstaunen, doch er schaute total undurchdringlich: »Das war Baumeister
Kalla, er gehört zu der Skatrunde im Petit Salon. Die Frau ist nicht seine Frau,
das ist die bekannte Frau Prof. Iris Schwitter Gais, die ist haushoch gut. Meist
trifft sich die Runde in derselben Zusammensetzung. Doch ich kann einen Blick hineinwerfen,
um sicher zu sein, dass es dieselben Leute sind. Es scheint wichtig zu sein?« Jetzt
schaute er nicht mehr undurchdringlich, sondern fast mitfühlend. Hatte er bemerkt,
wie sehr der Name Schwitter mir unter die Haut ging?
    Das war
Iris, ich griff zum Campari-Glas, und meine Hand zitterte. Auf meinem Lauschposten
hatte ich ihren Namen deutlich gehört. Das war die Frau, die andere zum endgültigen
Schweigen bringen konnte.
    Bis Louis
zurückkam, hatte ich mein Glas wirklich halb leer getrunken. Es war so, wie er gesagt
hatte. Oben spielte die übliche Skatrunde: Baumeister Kalla, Frau Prof. Schwitter
Gais, Divisionär Vontobel und der Staatssekretär Moos. Alle vier gehörten zu den
Stammgästen des Hotels Schweizerhof. Etwas lag ihm auf der Zunge. Also schaute ich
ihn gespannt an. Schließlich meinte er:
    »Ich sage
es, weil ich sehe, wie reizend jung Sie sind. Es ist eine gewichtige Runde. Sie
sollten nicht neugierig sein, Sie sind so lebendig jung. Glauben Sie mir, etwas,
das heute wichtig erscheint, sieht schon nach kurzer Zeit ganz anders aus.« Es schien,
er beiße auf seine Unterlippe.
    Er war nett.
Ich bestellte eine Tasse Milchkaffee. Das sollte den Campari neutralisieren. Jetzt
richtete ich mich mit meiner Schullektüre ein, ausgerechnet den Tell müssen wir
lesen, geflügelte Worte markieren, wenn möglich auswendig lernen.
    Irgendeinmal
brachte Louis auf einem Tellerchen ein Lachsbrötchen, mit Messer, Gabel und Serviette.
Er meinte, das gehe aufs Haus. Er war um mich besorgt, echt, und das war nett. Also
aß ich es mit Genuss.
    Endlich
kamen sie wieder. Sie verabschiedeten sich vor den Eingangsstufen, einer fehlte.
Ich schaute Louis fragend an, es war der Divisionär.
    Auf dem
Gang zur Toilette schaute ich mir das Hotel an. Sie haben es erneuert, geschleckt,
Marmor, Gold und Schwarz, immerhin war der Irrgarten von Gängen, Korridoren, Treppen
und Räumen derselbe geblieben. Zu meiner Überraschung kam in einem der oberen Stockwerke
aus einem schmalen Korridor, der eine Sackgasse war, plötzlich in zackigem Schritt
ein mittelgroßer Mann mit millimeterkurzen eisgrauen Haaren. Ganz hinten gab es
dort einzig die Besenkammer, doch die war leerer als leer gewesen, da war ich mir
sicher. Ich konnte mich gerade noch um die Ecke verdrücken und rannte in meinen
Sandaletten, deren Riemchen jetzt einschnitten, die gefährlichen, flachen Treppenstufen
hinunter. Natürlich überrannte ich beinahe Louis, der mich aus offensichtlichem
Beschützerinstinkt gesucht hatte.
    Nein, die
Pläne des Schweizerhofs benötige ich nicht, um sicher zu sein. Ich bin ja durch
alle Stockwerke gespurtet. Diese Besenkammer liegt außerhalb des Grundrisses. Wenn
einer dort wie ein Geist durch die Wand kommt, so ist eben hinter dieser Kammer
nicht eine Außenwand, sondern es geht dort weiter.
     
    Woher Wilma bloß immer wieder alles
weiß? Sie hat sich in der Zwischenzeit informiert. Sie hat »diese Thoma«, wie sie
von oben her sagte, gegoogelt, mit magerem Ergebnis: Eine Pamela Thoma hat vor ein
paar Jahren in Zürich in Psychologie und Werbung promoviert, das muss die sein,
mit der Francis Berry wohnt. Wilma hat davon ein

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