Folge dem weißen Kaninchen
Experimente. Raum und Zeit kann man nicht beobachten, sondern nur Dinge oder Ereignisse, die in Raum und Zeit ausgedehnt sind.
Die Argumente für die Existenz Gottes heißen traditionell «Gottesbeweise», denn sie stammen aus einer Zeit, als man noch glaubte, man könne metaphysische oder empirische Thesen beweisen. Heute denkt man anders. Beweise gibt es in der Mathematik und der Logik, also in den formalen Wissenschaften. In den empirischen Wissenschaften wie der Physik, der Biologie oder der Soziologie versucht man, eine These mit Hinweisen zu belegen oder zu begründen. Man fragt nicht: «Wie kannst du beweisen, dass UV -Strahlen Hautkrebs verursachen?», sondern: «Was spricht dafür? Was sind die Hinweise?» Man fragt: «Hast du das beobachtet oder systematisch getestet?», oder: «Kennst du die kausalen Vorgänge, die zur Zellwucherung führen?» Dabei gilt: Die Hinweise mögen auch noch so gut und zahlreich sein, es ist immer möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass man sich trotzdem irrt. In der Metaphysik geht man ähnlich vor. Man fragt, welche Argumente oder Gründe für eine Annahme sprechen. Eine metaphysische These darf weder den empirischen Daten entgegenstehen, also den Experimenten und Alltagsbeobachtungen, noch darf sie methodische Grundprinzipien verletzen wie Widerspruchsfreiheit, Widerlegbarkeit und vor allem Einfachheit.
Die Argumente für die Existenz Gottes sind oft so dürftig, dass sie in philosophischen Einführungsseminaren dazu dienen, logische oder argumentative Fehlschlüsse zu veranschaulichen. Obwohl die meisten Gläubigen keine Beweise im strengen logischen Sinn anstreben, tauchen die «Argumente» in Varianten immer wieder auf, weil sie den spirituell Empfänglichen doch irgendwie stimmig erscheinen.
Das
ontologische Argument
stammt von dem mittelalterlichen Gelehrten Anselm von Canterbury. Es lautet ungefähr so: «Wir haben den Begriff oder die Vorstellung eines perfekten Wesens, das allwissend, allmächtig und allgütig ist. Ein existierendes Wesen dieser Art ist noch perfekter als ein nicht existierendes. Also folgt aus dem Begriff des perfekten Wesens schon dessen Existenz.» Ein eigenartiger Gedankengang. Mit derselben Inbrunst könnte man behaupten: «Wir haben den Begriff des perfekten Pegasus, eines weißen Pferdes mit wilder Mähne und gewaltigen Flügeln. Ein existierender Pegasus ist perfekter als ein nicht existierender, also muss der perfekte Pegasus tatsächlich existieren.» Kant hat dieses Argument als Fehlschluss entlarvt, indem er gezeigt hat, dass Existenz keine Eigenschaft ist. Anders gesagt: Warum sollte aus einem Begriff irgendetwas für die Wirklichkeit folgen?
Das
kosmologische Argument
ist für viele das überzeugendste. Es stammt von dem mittelalterlichen Philosophen Thomas von Aquin und lautet ungefähr so: «Alles muss eine Ursache oder einen Grund haben. Das Universum kann nicht einfach nur so da sein, sondern es muss erschaffen worden sein. Der Einzige, der dafür in Frage kommt, ist Gott.» Nun stellen sich gleich zwei Fragen. Erstens: Ist das eine gute Begründung für das Bestehen des Universums? Und zweitens: Ist damit auch die Existenz Gottes bewiesen?
Begründungsketten haben ein Ende. Das merken alle Eltern, wenn ihre Kinder in die Warum-Phase eintreten. Frage: «Warum fallen wir nicht von der Erde herunter?» Antwort: «Weil uns die Gravitationskraft an der Erde hält.» Frage: «Warum gibt es die Gravitationskraft?» Schon hier fällt die Antwort schwer, aber nicht nur Eltern, sondern auch Physikern und Philosophen, denn auf eine so grundlegende Frage kann man nichts Gescheites mehr sagen. Wittgenstein hat dafür folgendes Bild entworfen: Man kann immer tiefer graben, aber irgendwann stößt der Spaten auf festen Stein. Wenn es in Begründungen hart auf hart kommt, hat man nur wenige, unbefriedigende Möglichkeiten. Man kann die Begründung zum Beispiel
dogmatisch abbrechen
, indem man wie die Hanseaten sagt: «Isso.» Ob das die Kinder ruhigstellt, ist eine andere Frage. «Was hat Gott getan, bevor er die Welt erschuf?» Darauf hat der Kirchenvater Augustinus geantwortet: «Er schuf die Hölle für diejenigen, die solche Fragen stellen.» Geistreich, aber ebenfalls ein dogmatischer Abbruch.
Mit dem Abbruch vermeidet man zwei andere unbefriedigende Alternativen der Begründungskette, nämlich den
Zirkel
und den
unendlichen Regress
. Denn wenn alles verursacht sein muss, dann muss das auch für Gott gelten. Wer hat also Gott
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