Folge dem weißen Kaninchen
Bewegungsabläufe des Tages, besonders wenn man etwas Ungewohntes getan hat. Viele, die schon einmal Skilaufen waren oder ein neues Computerspiel ausprobiert haben, kennen diese Erlebnisse gut: Kurz vor dem Einnicken, wenn die Kontrolle langsam entgleitet, zieht man virtuelle Schwünge durch den Tiefschnee oder dreht geometrische Blöcke so lange im Geiste, bis sie in die Lücken passen.
Nach dieser Phase beginnt der Hauptteil des Schlafes, der sich in die aufregenden
REM
-Phasen
und die ruhigen
Non-
REM
-Phasen
aufteilt, also solche ohne Augenbewegung oder pochenden Puls. Zunächst dachte man, der Geist trete nur während des REM -Schlafes in Aktion. Doch mittlerweile ist bekannt, dass er nie Ruhe findet. In den anderen Phasen träumen wir auch, allerdings selten bildhaft. Hier herrschen Gefühle und Gedanken vor. Die Gedankengänge verlaufen zwar meist gradlinig, allerdings können sie auch zwanghaft sein.
Besonders in der REM -Phase durchleben wir die typischen Träume. Sie machen etwa 20 Prozent der gesamten Schlafphase aus. Fast alle Muskeln sind dabei gelähmt. Das erklärt, warum wir im Schlaf nicht mit den Beinen zappeln, auch wenn wir davon träumen, Fußball zu spielen. Bei Menschen, die an der seltenen
REM
-Schlafstörung
leiden, ist die Muskellähmung jedoch aufgehoben. Sobald sie davon träumen, einen Spaziergang zu machen, bewegen sie den ganzen Körper im Takt dazu. In harmlosen Fällen fallen sie dabei nur aus dem Bett. Ernst wird es, wenn sie im Traum einen Boxkampf austragen, besonders für den Partner auf der anderen Seite.
Nicht nur die Ganzkörperlähmung ist charakteristisch. Der weltweit führende Traumforscher, der Harvardpsychologe Allan Hobson, vergleicht Traumerlebnisse mit psychotischen Halluzinationen, also mit wahrnehmungsartigen Erlebnissen von etwas, das nicht existiert. Während Schizophrene eher akustische Halluzinationen haben, herrschen bei Träumen die visuellen vor. Darin ähneln sie am ehesten dem Drogendelirium oder dem Fieberwahn. Hören, Schmecken und Riechen treten deutlich seltener auf. Besonders die Körperwahrnehmung ist verzerrt. Manchmal gleitet man durch die Luft, ein anderes Mal fühlt man sich wie am Boden festgeklebt. Zudem sind Träume von starken Gefühlen begleitet: Angst, Freude, Lust und Aggression.
Kant hat in seiner Schrift
Versuch über die Krankheiten des Kopfes
gesagt: «Der Verrückte ist also ein Träumer im Wachen.» Wenn man Hobson folgt, könnte man den Umkehrschluss ziehen: «Der Gesunde ist ein Spinner im Traum.» Denn wir erleben Träume nicht nur als punktuelle Halluzinationen, sondern als eigenartige ausgedehnte Geschichten. Viele sagen, sie hätten «Quatsch» oder «Unsinn» geträumt, als bestünde die Alternative in realistischen, sinnvollen Träumen. Bei näherer Betrachtung liegen viele Trauminhalte jenseits von Logik und Alltagserfahrung: Erst wandert man mühsam einen unwegsamen Gebirgspfad entlang, und plötzlich balanciert man auf wackligen Tischen in einem Klassenzimmer. Äußerst selten jedoch kommt uns das komisch vor. Wir wundern uns auch nicht, dass die nette Rentnerin von nebenan plötzlich so aussieht wie Romy Schneider und trotz Gesichtswechsel dieselbe Person bleibt.
Träume im Labor und im Tagebuch
Träume sind subjektive Erlebnisse aus der Ich-Perspektive. Daher kann man sie nur erforschen, indem man Träumende auffordert, sie zu beschreiben. Die wichtigsten Hinweise sind also Berichte, die aus Traumtagebüchern oder Befragungen im Traumlabor stammen. Die Laborberichte geben ein verlässlicheres Bild von den Inhalten ab, weil Patienten zufällig geweckt werden. Doch auch hier kann es zu Verzerrungen kommen: Wer in einem sterilen Labor aufwacht und einem seriösen Wissenschaftler im weißen Kittel ins Gesicht blickt, mag dazu neigen, seine Erlebnisse nicht in ihrer vollen Saftigkeit zu präsentieren. Die eigenen Traumtagebücher sind in diesem Punkt sicherlich aufrichtiger, allerdings ebenfalls verzerrt, weil man vorwiegend nach negativen Träumen aufwacht und durch seine positiven Träume einfach hindurchschläft.
Obgleich noch viele Aspekte unerforscht sind, kann man aus den riesigen Sammlungen von Traumberichten einige Erkenntnisse ziehen: Frauen und Männer unterscheiden sich nicht wesentlich in ihren Träumen. Typisch sind Themen, die schon in der Morgenröte der Menschwerdung wichtig waren: Essen, Fliehen, Kämpfen und Kopulieren.
In den neunziger Jahren wurden viele Traumlabore nach langjähriger Forschung
Weitere Kostenlose Bücher