Folge dem weißen Kaninchen
nervöses Augenzucken. Die Bewegungen widerfahren der Person, sie werden nicht aktiv ausgeführt. Wären all unsere Körperbewegungen und auch unsere Gedanken wie die der anarchischen Hand, dann wären wir nicht nur unfrei, wir wären überhaupt keine handelnden Personen mehr.
Diesen Zusammenhang übersehen die Freiheitsfeinde. Sie denken, in einer festgelegten Welt würden wir noch handeln, jedoch dabei nicht frei sein. Tatsächlich gibt es in einer deterministischen Welt überhaupt keine handelnden Wesen mehr, sondern allenfalls anarchische Roboter.
Schwache Freiheit
Man kann auf den Determinismus noch anders reagieren, und zwar mit der These, dass er gar nichts mit Freiheit oder Unfreiheit zu tun hat. Das sagen die
Kompatibilisten
, die Freiheit und Determinismus für vereinbar, also kompatibel, halten. Daher der Name. Den Kompatibilisten zufolge ist das Gegenteil von Freiheit Zwang. Unfrei sind wir, wenn Hypnose, Drogensucht oder böse Menschen einen Zwang auf uns ausüben. Wenn kein Zwang herrscht, müssen wir von Freiheit sprechen, ganz gleich, ob der Determinismus zutrifft. Andernfalls hätten wir gar keine Verwendung mehr für den Begriff «frei». Laut David Hume beispielsweise, dem englischen Philosophen der Aufklärung, ist der Mensch frei, wenn er nicht in Ketten liegt.
Viele Kompatibilisten berufen sich zudem auf ein Argument des englischen Philosophen Peter Frederick Strawson, der gezeigt hat, dass wir Menschen anders behandeln, wenn sie an Zwangsneurosen leiden, geisteskrank oder sonst irgendwie eingeschränkt sind. Wir würden ihnen dann keinen Vorwurf mehr machen, und wir würden ihnen ihr Verhalten auch nicht nachtragen, und zwar ganz unabhängig davon, ob wir annehmen, dass die Welt deterministisch ist oder nicht. Strawson sagt sogar mit einem Augenzwinkern, dass er gar nicht so genau wüsste, worin die These des Determinismus eigentlich bestünde.
Die Kompatibilisten stoßen allerdings auf Schwierigkeiten. Zum einen zielen sie hauptsächlich auf die
negative Freiheit
ab: die «Freiheit von Zwang», also das Fehlen von inneren oder äußeren Einflüssen. Den Libertariern ging es aber schon immer um
positive Freiheit
: die «Freiheit, etwas zu tun», also die Fähigkeit zu wählen. Natürlich schränkt jeder Zwang die positive Freiheit ein. Er löscht sie jedoch nicht aus. Auch in einer Geld-oder-Leben-Situation hat man die Freiheit, sein Leben zu geben. Das ist zwar unvernünftig, aber möglich. Und wer wie in Humes Beispiel in Ketten liegt, der kann immer noch denken, woran er will. Die Gedanken sind frei. Das verdeutlichen Fälle von Patienten, die am Locked-In-Syndrom leiden. Obwohl sie bei vollem Bewusstsein sind, können sie ihren Körper nicht bewegen. Einigen Patienten ist nur noch das Blinzeln geblieben, anderen überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich mitzuteilen. Auf den ersten Blick könnte man solche Fälle mit Patienten im Wachkoma verwechseln, deren Bewusstsein ausgelöscht ist. Doch Locked-In-Patienten können nachdenken, phantasieren oder in ihren Erinnerungen schwelgen. Diese Freiheit ist ihnen geblieben. Wenn es aber so krasse Zwänge und Einschränkungen geben kann, ohne dass dadurch die positive Freiheit gefährdet ist, dann scheint etwas mit den Ansichten des Kompatibilismus nicht zu stimmen.
Das führt zum zweiten Problem. Es bedeutet eben doch einen Unterschied, ob der Determinismus zutrifft oder nicht. Wir können uns einfach nicht vorstellen, wie wir in einer festgelegten Welt noch die Wahl haben sollen. Die Kompatibilisten vertreten einen Freiheitsbegriff, der so schwach ist, dass er auch dann noch anwendbar bleibt, wenn es für niemanden Wahlmöglichkeiten gibt. Diese Strategie wirkt dem deutschen Philosophen und Libertarier Geert Keil zufolge, als wollten sie auf Nummer sicher gehen, für den Fall, dass der Determinismus doch wahr ist: Hauptsache Freiheit. Das ist verwunderlich, denn, so Keil, «Aufgabe der Philosophie ist nicht, auf der sicheren Seite zu sein, sondern herauszufinden, wie es sich tatsächlich verhält».
Überraschenderweise sind die Kompatibilisten in der Philosophie noch in der Mehrzahl. Langsam scheint sich das Blatt zu wenden. Einen ganz neuen Dreh bekam die Diskussion, als sich Neurowissenschaftler einmischten und behaupteten, schon einfache Versuche würden zeigen, dass kein Mensch Handlungsfreiheit habe. Die Argumente blieben zwar weit hinter dem Forschungsstand der Philosophie zurück, aber irgendwann waren diese Stimmen so laut, dass die
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