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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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Verfassern von Schönheitslisten liegt auf der Hand: Sie sind zu konkret. Moderne Theorien konzentrieren sich daher nicht mehr auf einzelne Objekte, sondern sprechen von Harmonie, Komplexität, Symmetrie, Proportionen oder Einfachheit, also von der Struktur schöner Objekte. Mode und Musikstile mögen sich wandeln, aber grundlegende Bauprinzipien blieben gleich. Niemandem gefielen beispielsweise Dissonanzen, sagen die Verfechter dieser Theorien, und irgendwie wolle jeder in seiner Kleidung vorteilhaft aussehen.
    Aber auch der abstrakte Ansatz hat seine Tücken, denn die Prinzipien sind oft zu allgemein formuliert. Manchmal ist Einfachheit schön, manchmal Komplexität, manchmal das Bekannte, manchmal das Neue. Da alles entweder einfach oder komplex, bekannt oder unbekannt ist, kann also alles schön sein. Irgendwie wussten wir das doch schon. Der Ansatz hilft also nicht weiter. Schaut man sich allerdings nicht die Dinge an, sondern wiederum die Betrachter, so scheinen Einfachheit, Symmetrie oder Vertrautheit eher über deren Vorlieben Aufschluss zu geben.
    Ein Beispiel: Mathematiker und Physiker wie der Engländer Stephen Hawking sprechen davon, dass mathematische Formeln dann besonders schön seien, wenn sie einfach und erklärungsstark seien. Diese These verrät jedoch viel mehr über das analytische Naturell der Wissenschaftler als über die eigentlichen Formeln. Wer sein Leben lang an einem sauber aufgeräumten Schreibtisch gesessen, über logische Probleme gegrübelt und nie in einem kreativen Chaos gelebt hat, der mag Einfachheit genießen. Für viele andere ist sie eher langweilig.
    Wie sieht es mit Vertrautheit aus? In einem Versuch zeigte der amerikanische Psychologe James Cutting seinen Studenten Werke von unbekannten Impressionisten als Hintergrundbilder seiner wöchentlichen Vorlesungen. Die meisten Studenten nahmen diese Bilder nicht bewusst wahr, aber irgendwie blieben sie ihnen doch im Gedächtnis. Am Ende des Semesters verglich Cutting diese Testgruppe mit Studenten, die keine Bilder gesehen hatten. Die Testgruppe fand die gezeigten Bilder deutlich schöner als die Vergleichsgruppe. Cutting glaubt, die Studenten hätten ihre Vertrautheit als Vorliebe fehlgedeutet. Einige Forscher gehen noch weiter, indem sie annehmen, dass Vertrautheit eine Art Schönheit zweiter Stufe darstelle. Doch das ist zu kurz gedacht. Oft ist das Neue und Unbekannte aufregender und schöner als das Vertraute. Vertrautheit wirkt eher wie ein Geschmacksverstärker, allerdings nur bei Dingen, die schon vorher schön, oder wenigstens neutral waren. Die Vertrautheit mit dem hässlichen und garstigen Nachbarn macht ihn nicht schöner.
     
    Vertrautheit, Einfachheit, Symmetrie: Vielleicht ist die Erklärung für dieses Schönheitsdurcheinander ganz einfach. Genauso wie Angst und Schmerz dazu führen, dass wir Gefahrenquellen meiden, lässt uns unser Genussmodul ständig nach dem Schönen und Angenehmen suchen. Zum Vergleich: Die Angst vor Schlangen und Spinnen ist universell, aber die vor Abiturprüfungen muss kulturell erlernt werden. Genauso scheinen süße Früchte, idyllische Landschaften und das Kindchenschema in den Augen aller Menschen schön zu sein, während die Lust auf frischen Koriander, Blümchentapeten oder Wüstendünen individuell schwankt. Und selbst die universellen Auslöser können durch negative Erlebnisse ihre Strahlkraft verlieren.
    Besonders deutlich wird diese Zweiteilung in der Psychologie der Partnerwahl, die Schönheit meist mit Attraktivität gleichsetzt. Das ist zwar manchmal etwas kurz gesprungen, da nicht nur Schönheit Menschen anziehend macht, aber es gibt kaum ein Feld des menschlichen Verhaltens, das so gut erforscht ist wie die Attraktivität zwischen den Geschlechtern. Frauen bevorzugen weltweit große Männer mit breiten Schultern, die sie beschützen können. Männer hingegen mögen bei Frauen kulturunabhängig immer dasselbe Taille-Hüft-Verhältnis von 0 , 7 oder weniger. Dabei ist es egal, ob sie auf den molligen oder den sportlichen Typ stehen. Auch an den favorisierten Gesichtszügen hat sich über die Jahrtausende nichts verändert. Nofretete hat dieselben Proportionen wie Botticellis Venus oder Naomi Campbell. Ebenso spannend ist der positive Kreuzbeinabknickungswinkel, der entsteht, wenn Frauen auf den Zehenspitzen stehen oder hohe Schuhe tragen. Dadurch verlagert die Frau den Körperschwerpunkt und geht leicht ins Hohlkreuz, eine Pose, die Männer laut dem Verhaltensforscher Karl

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