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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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Vielleicht haben die Frauen nach dem Besonderen im Mann gesucht und den blonden Burschen mehr Jagdkunst zugetraut als deren dunklen Weggefährten, die deshalb keine Partnerin abbekommen haben. Vielleicht muss man sich das in etwa so vorstellen, wie wenn schwedische Austauschstudenten die Technische Universität in Madrid besuchen.
    Ähnlich sieht es mit der Attraktivität der Jugendlichkeit aus. Lässt man Männer jeden Alters Frauenbilder nach Schönheit sortieren, dann belegen stets Mädchen in der Pubertät die vorderen Plätze. Hier sind Evolutionsbiologen schnell mit einer Hypothese zur Stelle. Vorzeitmänner zeugten dann besonders viele Kinder, wenn sie Partnerinnen wählten, die gerade die Geschlechtsreife erlangt hatten. Denn, so die Hypothese, junge Frauen seien besonders fruchtbar und hätten selten Krankheiten. Dadurch habe sich die Attraktivität der Jugendlichkeit im Erbgut verfestigt. Auch hier: Warum soll das so sein? Wäre es nicht vorteilhafter gewesen, Frauen zu umwerben, die schon Kinder bekommen haben? So fragt der englisch-australische Philosoph Paul Griffith, um die Kurzatmigkeit dieser Erklärung zu verdeutlichen. Bei den Müttern hätte der Mann die Garantie gehabt, dass sie wirklich fruchtbar sind. Außerdem hätten sie ihre mütterliche Fürsorge schon unter Beweis gestellt. Für einen Liebhaber etwas reiferer Jahrgänge hat man also auch eine gute Erklärung parat. Das zeigt das Problem der Ursprungshypothese. Sie ist nicht viel besser als ihr Gegenteil und bleibt zu einem gewissen Grad willkürlich. Natürlich könnte sie stimmen, aber das können wir nur beurteilen, wenn wir weitere Hinweise haben. Und die fehlen.
     
    Ein fragwürdiges Beispiel stellt die Symmetrie dar. Wir empfinden Gesichter als hässlich, sobald sie nicht mehr an der Mittelachse gespiegelt sind. Auch hierfür gibt es Erklärungsvorschläge: Viele Erbkrankheiten und Parasiten, die wir heutzutage gar nicht mehr kennen, deformieren Gesichter beispielsweise durch eine halbseitige Lähmung. Wer vor Jahrhunderttausenden also auf Symmetrie stand, hatte bessere Chancen als die Konkurrenz, gesunde Nachfahren zu zeugen. Einige Evolutionsbiologen weiten diese Hypothese sogar zu einer allgemeinen Vorliebe für Symmetrie aus. Warum sonst seien schöne Tempel und Paläste in der ganzen Welt spiegelsymmetrisch? Nur: Die Sache mit den Krankheiten erklärt allenfalls, warum wir schiefe Gesichter hässlich finden, nicht aber, warum die symmetrischen schön sein sollen. Viele Gesichter sind nämlich symmetrisch und trotzdem hässlich. Das weiß jeder, der schon mal mit einem Fotoprogramm sein Gesicht verzerrt oder einen Horrorfilm gesehen hat. Unser Sinn für schöne Gesichter hat sicherlich etwas mit Proportionen zu tun. Nur handelt es sich dabei nicht um schlichte Symmetrie, sondern um sehr komplexe geometrische Gesetze, wie einige Psychologen gezeigt haben.
    Der Sprung von der Gesichts- zur Gebäudesymmetrie ist noch waghalsiger. Denn erstens finden viele Menschen auch asymmetrische Bauwerke schön, zum Beispiel Frank Gehrys Guggenheimmuseum in Bilbao. Zweitens sind aus bautechnischen Gründen ohnehin fast alle Bauwerke achsensymmetrisch. Dass wir darunter auch einige schöne entdecken, mag nicht verwundern. Aber wir finden ebenso viele hässliche. Und schließlich bleibt völlig unklar, wie man von Gesichtern zu Gebäuden gelangen soll: Sicher, in Kinderbüchern haben Häuser manchmal Augen, Nase und Mund. Aber erkennen wir wirklich ein Antlitz in der Angkor-Wat-Tempelanlage in Kambodscha, wenn wir sie schön finden? Oder im Eiffelturm?
    Daraus folgt natürlich nicht, dass es keinen angeborenen Schönheitssinn gibt und alles Kultur ist. Als angeboren kann etwas gelten, wenn es nicht erlernbar ist. Man kann niemandem beibringen, ein positives Gefühl zu haben, wenn er einen schönen Menschen sieht, genauso wenig, wie man jemandem beibringen kann, Schmerzen zu spüren. Wie sollte man das anstellen? Man kann Menschen allenfalls in die Situation bringen, etwas zu spüren. Aber dann mussten sie schon vorher die Fähigkeit dazu gehabt haben. Unser angeborenes Genusszentrum im Kopf sucht ständig nach einem Input von schönen Dingen. Es hat einige Voreinstellungen, hängt aber auch von persönlichen Erlebnissen ab und verändert sich mit der Zeit. Die Lösung des alten Streits ist also: Unser Sinn für Schönes ist manchmal universell und oft individuell.
    Die Schönheit ist das eine Hauptthema der Ästhetik, die Kunst das andere. Lange

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