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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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Grammer weltweit ansprechend finden.
    Beim Körperschmuck hingegen ist der Kultureinfluss überdeutlich. Dafür muss man gar nicht Giraffenhalsfrauen oder Tellerlippen bemühen. Auch wenn Körperschmuck oft universelle Merkmale unterstützt, ist er meist nur für diejenigen schön, die entsprechend geprägt wurden. In den fünfziger Jahren hätte niemand daran gedacht, sich Metall durch Augenbrauen oder Lippen stechen oder sich Begriffe wie «Leben» oder «Freiheit» in den Schriftzeichen des Mandarin oder Sanskrit tätowieren zu lassen. Umgekehrt ist Chinesen oder Indern die Vorstellung völlig fremd, diese Begriffe in altdeutschen Buchstaben auf ihrem Rücken oder Arm zu tragen.
    Besonders die universellen Attraktivitätsprinzipien laden zu evolutionären Erklärungen ein. Wenn Merkmale in allen Kulturen auftauchen, kann es gut sein, dass sie in grauer Vorzeit eine Funktion hatten. Nur welche?

Überleben durch Schönheit?
    Evolutionäre Erklärungen machen Spaß. Keine Frauenzeitschrift, kein Männermagazin, keine Jugendgazette, die nicht davon berichten, wo in der Evolution unsere Vorlieben verwurzelt sind. Oft sind diese vermeintlichen «Erklärungen» vordergründig einleuchtend. Man kann sich gut vorstellen, dass es damals so gewesen ist. Tatsächlich handelt es sich bei fast allen bestenfalls um spekulative Hypothesen, denn vor Hunderttausenden von Jahren war niemand dabei, der die Vorgänge präzise protokolliert hat.
    Ein klassisches Beispiel: Menschen aller Kulturen mögen hügelige Landschaften mit vereinzelten Bäumen, durch die ein Bächlein plätschert. Dieses Motiv findet man als Stickerei in Almhütten, gemalt auf alten japanischen Schriftrollen oder beschrieben als Auenland in J. R. R. Tolkiens
Der Herr der Ringe
. Angeblich mögen wir solche «Savannenlandschaften», weil dort unsere frühesten Vorfahren in Afrika gut leben und jagen konnten: Der Blick schweift in die Ferne, und Beute ist leicht zu entdecken. Allerdings mögen viele von uns auch den düstergrünen Urwald. Das könnte man ähnlich erklären: Dort gibt es viel Nahrung, und man kann sich vor Feinden verstecken. Außerdem sprechen uns auch Landschaften jenseits von Afrika an: schroffe Küsten, die schneebedeckten Hänge des Himalaya und sogar Korallenriffe, auf denen niemand leben will. Hypothesen wie die über die Savannenlandschaft können durchaus wahr sein, aber sie sind mit Vorsicht zu genießen, weil offenbleibt, warum wir anderes ebenfalls schön finden.
    Ähnlich verhält es sich mit evolutionären Erklärungen der Attraktivität. Noch ein paar Beispiele: Frauen finden Männer mit breitem Unterkiefer attraktiv. Je höher der Testosteronspiegel, desto breiter der Unterkiefer. Das zeigen viele Tests. Wie ist es dazu gekommen? Eine Hypothese: In grauer Vorzeit hätten sich Frauen, die zufällig eine Breitkiefervorliebe hatten, eher mit diesen potenten Partnern eingelassen. Die Testosteronmänner konnten ihre Frauen besser beschützen und zeugten einen stattlicheren Nachwuchs. So habe sich die Vorliebe für kantige Gesichtszüge eher vererbt als die für zarte. Das klingt ganz plausibel.
    Schwieriger wird es bei der Haarfarbe. Einige Evolutionspsychologen vertreten die These, dass Männer Blondinen bevorzugen. Dafür haben sie auch gleich eine Erklärung parat: In der Eiszeit sind Menschen in Europa über wenige Generationen erblondet, während die übrige Welt schwarzhaarig blieb. Die Hypothese: Zunächst passierte das über zufällige Mutationen im Erbgut. In jenen kalten Tagen herrschte außerdem Männermangel, denn die ständige Jagd sei gefährlich gewesen. Die seltenen Blondinen mit den hellen Augen hätten dieses besondere Etwas gehabt, das die wenigen wilden Kerle auf sie aufmerksam machte. So habe sich die helle Haartracht in die Gene gemendelt.
    Doch wenn dem wirklich so wäre, müssten Männer im Angesicht von Frauen mit blauen Haaren völlig den Verstand verlieren, denn die sind noch seltener. Das passiert aber nicht. Nun könnte man einwenden, dass Blau als Haarfarbe ja nicht in der Natur vorkommt. Aber bevor unsere Urahnen blonde Locken erblickten, konnten sie ja auch nicht ahnen, dass sie auf natürliche Weise vorkommen können. In der Hypothese fehlt also etwas, nämlich eine Erklärung, warum das Seltene allein schon anziehend sein soll. Außerdem: Könnte es nicht genau andersherum gewesen sein? Vielleicht herrschte in Wahrheit Frauenmangel, weil die Männer so selten Fleisch von der Jagd mitbrachten.

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