Folge dem weißen Kaninchen
persönliche Farberleben.
Der australische Philosoph David Chalmers spitzt die Überlegungen seiner Kollegen noch etwas zu. In seinem Gedankenexperiment geht es um eine ganz besondere Spezies, nämlich philosophische Zombies. Im Gegensatz zu Hollywoodzombies ist der philosophische Zombie äußerlich von Menschen ununterscheidbar. Er ist auch keine blutrünstige Bestie, sondern verhält sich genau wie ein normaler Mensch. Er kann denken, sprechen und seine Aufmerksamkeit auf etwas lenken. Einzig das Erlebnisbewusstsein fehlt ihm vollständig. Man kann sich einen philosophischen Zombie wie einen Blindsichtigen vorstellen, dessen Defekt auf alle Sinne, Gefühle und Erlebnisse durchschlägt. Ein Zombie hört alles, was ein normaler Mensch hört, und denkt darüber nach. Nur: Das Hören hat keinen Erlebnischarakter, das Denken fühlt sich nicht auf eine bestimmte Weise an. Für den Zombie gibt es keine Farben und Gerüche. Er spaziert und stolpert wie ein normaler Mensch, aber er hat keinen erlebten Gleichgewichtssinn und dementsprechend niemals das Gefühl, die Balance zu verlieren.
Was zunächst abwegig klingt, ist gar nicht so weit hergeholt: Immerhin können Wissenschaftler eine kausale Kette von einem Lichtstrahl, der die Netzhaut trifft, über den seitlichen Kniehöcker im Zwischenhirn bis hin zur Hirnrinde beschreiben, ohne jemals von Farben oder Seheindrücken sprechen zu müssen. Wenn man Chalmers’ Gedankengang folgt, merkt man sehr schnell, dass jeder Mensch in Wahrheit ein Zombie sein könnte. Für einen Außenstehenden ist es ja unmöglich zu beurteilen, was in den Köpfen der anderen Menschen vor sich geht. Es könnte sogar sein, dass Sie der einzige normale Mensch sind und dieser Text von einem Zombie geschrieben wurde.
Chalmers vertritt nun die These, dass der Begriff eines philosophischen Zombies in sich nicht widersprüchlich ist im Gegensatz beispielsweise zum Ausdruck «eckiger Kreis». Was wir uns vorstellen können, ist Chalmers zufolge auch möglich – vielleicht nicht in unserem Universum, aber immerhin in einem alternativen Universum. Das zeige dann aber zweierlei, nämlich erstens, dass der Erlebnischarakter des Bewusstseins unabhängig von der Funktion der Informationsverarbeitung ist, denn normale Menschen und Zombies verarbeiten Informationen ja auf dieselbe Weise, obwohl Letzteren das Erleben völlig fehlt. Zweitens würde wie bei den Fledermäusen und bei Mary ein vollständiges Wissen aller physikalischen Tatsachen über die Vorgänge in uns und in Zombies noch nicht erklären, wofür wir unser phänomenales Bewusstsein denn eigentlich haben. Unser Erleben scheint eine zusätzliche Zutat im Weltgebräu zu sein. Anders ausgedrückt: Wenn ein Gott das Universum erschaffen hätte, hätte er (oder sie oder es) neben den Elementen und Fundamentalkräften noch Bewusstsein in die Welt geben müssen. Nur: Wie macht man das?
Bewusstsein als Rätsel
Irgendwie hängt unser Geist, genauer unser Bewusstsein, mit unserem Körper zusammen. Die genaue Bestimmung dieses Zusammenhangs heißt traditionell
Leib-Seele-Problem
. Aber da heutzutage so gut wie kein Wissenschaftler mehr an die Existenz unsterblicher Seelen glaubt, nennt man es meist
Gehirn-Bewusstsein-Problem
. Als traditionelle Antwort auf dieses Problem vertreten fast alle Religionen, aber auch einflussreiche Philosophen wie Platon und Descartes, einen
Dualismus
. Descartes glaubte, Körper und Geist seien selbständige, voneinander unabhängige Substanzen, die sich gegenseitig beeinflussen. Heutzutage will kaum noch ein Philosoph Substanz-Dualist sein, weil diese Position widersprüchlich ist. Der Geist soll in die materielle Welt hineinwirken, obwohl er selbst nicht Teil dieser Körperwelt ist. Angeblich entfaltet er seine Kräfte an ganz konkreten Stellen zu ganz konkreten Zeitpunkten, ist dabei aber selbst nicht in Raum und Zeit zu verorten. Diese Auffassungen sind schlicht nicht zugleich einlösbar.
Viele von uns haben den Substanz-Dualismus auch schon ganz anschaulich widerlegt, indem wir zu viel Rotwein getrunken haben. Dadurch veränderte sich die Stoffkonzentration in unserem Körper, die wiederum die Basis für eine neue Qualität des Bewusstseins bildete. Etwas profaner ausgedrückt: Wir waren richtig betrunken. Der Zusammenhang zwischen Trinken und Synapsentätigkeit ist kausal. Erst kam das Trinken, dann die Veränderung in den Nervenschaltstellen. Der Zusammenhang zwischen Nervenzellen und Schwips hingegen ist nicht
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