Folge dem weißen Kaninchen
Gedanken nicht ohne jemanden, der sie hat.
Unser Bewusstsein ist nicht nur subjektiv an uns gebunden, all unsere Erlebnisse und Gedanken verschmelzen außerdem zu einem einheitlichen Erleben. Wir hören, schmecken und fühlen nicht nebeneinanderher, sondern all diese Eindrücke verbinden sich zu einer einzigen Gesamterfahrung der Welt um uns herum. Kant nannte das die «transzendentale Einheit der Apperzeption» und vertrat dabei die These, der Gedanke «ich denke» müsse jeden bewussten Zustand begleiten können und würde dadurch für Einheitlichkeit sorgen. Man kann Kant so interpretieren, als sagte er: Wir denken ständig «ich denke» parallel zu allem, was wir tun und erleben. Diese Konzeption ist vielen Philosophen heutzutage zu sehr auf Gedanken fixiert. Als Alternative schlagen sie vor, den subjektiven Charakter des Bewusstseins als eine Art phänomenales Hintergrundsummen anzusehen oder als eine Art unreflektierten, grundlegenden Selbstsinn, den man wohl schon bei Tieren und kleinen Kindern findet, die, so darf man annehmen, die Welt ebenfalls einheitlich erleben, ohne einen Ich-Begriff zu haben. Wie auch immer man diesen Aspekt fassen will, entscheidend bleibt die Innenperspektive, die jedes bewusste Erleben mit sich bringt.
Feld und Strom
Die Wörter «Bewusstsein» und «bewusst» haben noch mehr Bedeutungen als «Zugang zu Information» und «Erleben». Selbst in der wissenschaftlichen Diskussion ist nicht immer ganz klar, was jeweils gemeint ist. Das hat dazu geführt, dass ganze Scheindebatten entstanden sind, weil einige Forscher einfach aneinander vorbeireden. Bevor man über Bewusstsein nachdenkt, sollte man sich daher die verschiedenen Bedeutungen von «bewusst» vor Augen führen.
«Bewusstsein» heißt in manchen Zusammenhängen
bei Bewusstsein sein
oder
Wachsein
im Kontrast zu «bewusstlos». Wer hingegen etwas ganz «bewusst» getan hat, meint damit meist, er habe es
absichtlich
getan. Wenn man sagt: «Ich habe die Musik gar nicht bewusst wahrgenommen», will man darauf hinaus, dass man die
Aufmerksamkeit
nicht darauf gelenkt hat. Oft heißt «bewusst sein» auch einfach nur
wissen
– wie in: «Ist Ihnen bewusst, dass auf jeder Euro-Münze Sterne abgebildet sind?» Manchmal macht man sich «bewusst», was man eigentlich will, und meint damit die Reflexion, das
Nachdenken
, über sich selbst. Und schließlich haben wir Menschen und vermutlich auch einige Tiere ein «Bewusstsein von uns selbst», nämlich ein
Selbstbewusstsein
.
Natürlich hängen all diese Aspekte von Bewusstsein – Erleben, Zugang, Wachsein, Absicht, Aufmerksamkeit, Wissen, Reflexion und Selbstbewusstsein – miteinander zusammen. Um die Zusammenhänge besser zu verdeutlichen, verwenden Philosophen zwei räumliche Metaphern. Man kann sich Bewusstsein nämlich als Feld oder als Strom vorstellen. Die Metapher des Feldes verkörpert den statischen Aspekt, das Bild des Stromes den dynamischen. Ein Beispiel für Bewusstsein als Feld: Man wacht morgens auf und spürt den Muskelkater vom Sport in den Beinen, riecht den Kaffeeduft vom Nachbarbalkon, hört das Zwitschern der Vögel, erinnert sich an den lustigen Vorabend oder denkt über die wichtigen Tagestermine nach. Viele dieser Wahrnehmungen, Empfindungen und Gedanken können gleichzeitig präsent sein. Zusammen füllen sie das Bewusstseinsfeld aus. Manche glauben, sie könnten das Feld vergrößern, indem sie «bewusstseinserweiternde» Drogen nehmen, aber vermutlich erlebt man dadurch nur eine neue Kombination alter Zustände.
Zu den Rändern franst das Feld aus, denn der Fokus unserer Aufmerksamkeit kann nicht auf alle Zustände gleichzeitig gerichtet sein. Wie ein Theaterscheinwerfer wandert unsere Aufmerksamkeit über unsere Bewusstseinszustände und hebt so einige hervor. Die Vögel beispielsweise zwitschern schon die ganze Zeit im Hintergrund, aber erst wenn man darauf achtet, hört man die einzelnen Melodien heraus. Die Klangerlebnisse waren also ein Teil des Feldes, aber erst die Aufmerksamkeit hat ihnen die nötige Prominenz verschafft. Das ist wie bei dem Weinbeispiel, bei dem durch Konzentration eine Geschmacksnote in den Vordergrund tritt. Auch im Alltag sprechen wir immer wieder über den Randbereich: über den Augenwinkel, die Hintergrundgeräusche, unser oft flüchtiges Körpergefühl oder über Stress, den wir manchmal erst rückwirkend bemerken, wenn er plötzlich weg ist.
Unser Bewusstseinsfeld verändert sich ständig. Für diesen Aspekt eignet
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