Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Telefon. Es tat weh.
„Daniela“, sagte ihre Mutter in einem Tonfall, dem man die unterschwellige Beherrschung anmerkte. „Dieser Mann … er wird nichts von dir wissen wollen. Du bist für ihn gar nicht da. Du machst dir etwas vor. Solche Männer sind an Dorfmädchen nicht interessiert. Er wird dich höchstens ausnutzen, um dich ins Bett zu kriegen und das war’s dann.“
„Kiran tut so was nicht! Und selbst wenn ich mit ihm ins Bett ginge, dann geht euch das gar nichts an. Ich bleibe hier!“
„Du kommst aber nicht schwanger nach Hause, das sag ich dir!“
„Ich bleibe hier.“ Daniela drückte das Gespräch weg.
Ende der Durchsage.
Sie musste etwas trinken. Am liebsten Saft, aber es gab nur Wasser. Daniela setzte die Flasche an die Lippen, als das Handy klingelte. Sie stopfte es unter ihr Kopfkissen, während sie trank. Das Handy klingelte noch eine Weile, dann gab es auf. Bestimmt kam gleich eine SMS hinterher.
Daniela wandte sich wieder dem Forum zu. Dies war das letzte Mal, dass sie sich ihrer Mutter anvertraut hatte, das schwor sie sich. Sie würde nicht noch mal weich werden und dem irrigen Glauben verfallen, ihre Mutter könnte sie diesmal verstehen. Darum ging es nämlich zu keinem Zeitpunkt. Um Verständnis. Es ging um die Aufrechterhaltung einer allgemein akzeptierten Kulisse und des Stücks, das davor gespielt wurde. Es ging um Antworten auf Fragen von Nachbarn im Supermarkt, die freundlich gestellt und freundlich beantwortet wurden. In Wirklichkeit handelte es sich um trügerische Stolperfallen und beide Parteien wussten davon, während sie elegant auswichen oder dankend darüber sprangen, bevor sich ihre Wege wieder trennten. Duell beendet, wir sehen uns in drei Tagen wieder.
„Und grüßen Sie mir ihren Säufer-Gatten recht schön! Man sieht ihn ja kaum noch vor der Tür!“
„Ja, Sie mich auch, Frau Moosmann, Sie alte Schnepfe! Sie mich auch! Ist der Ulf eigentlich Ihr Untermieter oder doch Ihr unehelicher Sohn, wie man vermutet?“
Daniela fragte sich, was passieren würde, wenn diese verlogenen Kleinstädter in einen Drogennebel kämen und plötzlich nur noch die Wahrheit sagen könnten. Mord und Totschlag. Das war auch der Grund, warum es so gut tat, in einer Soap mal etwas anderes zu sehen. Die Intrigen wurden irgendwann aufgedeckt und der Böse erhielt seinen Denkzettel.
„Und jetzt lassen Sie uns in Ruhe, Sie alte Schachtel.“
Alexander … er war so eine ehrliche Haut in der Serie. Diplomatisch im rechten Moment, kompromisslos, wenn nötig. Daniela stellte sich vor, wie sie vor ihrer Mutter standen. Sie und dieser wunderschöne junge Mann, der natürlich einen geschmackvollen Blumenstrauß bei sich trug, der für Danielas Mutter bestimmt war. Kiran würde auch vor einem Handkuss nicht zurückschrecken, um Danielas Mutter für sich zu gewinnen. Und das gelang ihm selbstredend. Wenn ihre Mama ihn erst einmal sah, dann würde sie Daniela sofort verstehen. Sie konnte dann einsehen, wie sehr sie sich geirrt hatte.
Daniela warf noch einen Blick auf Dingdongs Beitrag.
Das Mädel ist hoffnungslos verknallt, lebt in nem Paralleluniversum und das Einzige, was ich daran geil finde, ist, dass sie Kiran Advani niemals selbst treffen wird, geschweige denn, dass er sie jemals kennen und beachten wird.
Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie es wäre, Kiran im Forum als ihren Freund zu präsentieren. Wenn die Presse davon Wind bekam, dass er eine Freundin gefunden hatte, dann ging natürlich die wilde Spekulation im Forum los. Wer ist es? Wie sieht sie aus? Wurden sie zusammen gesehen? Vielleicht würde Daniela eine Weile die Diskussionen verfolgen, die Vermutungen und Wehklagen der Fans … und dann konnte sie sich mit einem Paukenschlag outen. Vor allem Dingdong sollte sich wundern und dann ärgern, wahnsinnig ärgern und ihr Unrecht vor allen anderen ausbaden. Es war erstaunlich, wie viel realer ihre Tagträume wirkten, seit sie Kiran leibhaftig begegnet war. Die theoretischen Möglichkeiten erlebten eine deutliche Verschiebung in Richtung Praxis. Sie befand sich in Berlin und sie wusste, wo das Studio war. Vor dem Eingang auf ihn zu warten, war eine durch und durch reale Option. Sie konnte es tun. Und dann? Ihn ansprechen natürlich. Den letzten Tag am Set als Anlass hernehmen und einfach mit ihm reden.
Einfach.
Gut, ganz so leicht war es nicht. Es war möglich, dass sie kein Wort heraus bekam. Es war möglich, dass er mit jemandem verabredet war oder dass er schnell
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