Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Uhr.
Daniela ging ein paar Schritte weiter zu ihrem Hocker zurück und setzte sich ebenfalls. Sie lächelte ihm zu. Ein Ich-lass-dich-jetzt-in-Ruhe-Lächeln.
Minuten vergingen. Daniela hatte Wasser und O-Saft bezahlt, damit sie gleich handeln konnte, wenn nötig. Kiran starrte vor sich hin und Daniela tat so, als surfe sie mit ihrem Smartphone im Netz. Dabei behielt sie ihn genau im Auge. Sein Blick wirkte bereits glasig, fand sie. Etwas verwirrt vielleicht.
Orientierungslos.
Konnte sie es schon wagen? Sie musste. Jede weitere Minute bedeutete ein Risiko. Sie stand auf und ging zu ihm hinüber. Er sah sie an und auch durch sie hindurch. Irgendwie beides.
„Geht’s dir gut?“, fragte sie. „Du schaust so komisch. Alles klar?“
„Hm“, sagte er. „Klar.“
„Du siehst aus, als wäre dir schlecht. Ist dir übel?“
„Ein bisschen“, flüsterte er.
„Komm, ich bring dich an die frische Luft. Mir hilft das immer und ich bin Profi im Umkippen. Das hast du ja gesehen.“
„Ja, Luft“, sagte Kiran langsam. „Luft … ist gut.“
„Komm, ich helfe dir“, bot Daniela an.
Kiran rutschte von seinem Barhocker und sie fing ihn auf, als er schwankte. Zum ersten Mal berührte sie ihn wirklich. Seinen Körper. Der Duft seines Parfums stieg ihr in die Nase. Ein Männer-Duft. Vielleicht sogar nur ein Deo, aber sehr aufregend. Sie riss sich zusammen. Dies war ein Moment, der höchste Konzentration erforderte.
„Kommt ihr beiden zurecht? Geht es ihm nicht gut?“, fragte der Barkeeper.
„Meinem Freund hier ist nur ein wenig übel. Ist der Kreislauf. Wir gehen etwas an die Luft. Ich kenn das schon von ihm“, sagte Daniela.
„Okay“, sagte der Barkeeper.
Kiran sagte nichts dazu. Er ließ sich von Daniela hinausbugsieren. Diese Tropfen waren der Renner. Sie ging mit ihm den Bürgersteig entlang zu ihrem Wagen. Er wehrte sich nicht und diskutierte nicht mit ihr.
„Und, wird dir schon besser?“, fragte sie ihn.
„Weiß nicht“, sagte Kiran. Er wirkte teilnahmslos, konnte aber noch laufen. Er durfte nicht auf der Straße zusammenbrechen. Das würde Aufsehen erregen. Sie kamen an Danielas Fiat an und sie schloss die Tür auf.
„Setz dich“, sagte Daniela.
„Warum?“, fragte Kiran. Anscheinend regte sich noch ein letzter Widerstand in ihm.
„Ich fahre dich zu deinem Wagen. Oder willst du etwa das ganze Stück laufen?“
„Nein“, sagte er.
„Siehst du. Setz dich. Ich fahre dich schnell hin.“
Kiran setzte sich und sie musste seine Beine einzeln in den Wagen heben. Dann schlug sie die Tür zu, lief um das Auto herum und stieg an der Fahrerseite ein. Kirans Handy piepste und sie sah, wie er mit fahrigen Bewegungen danach suchte.
„Lass mal“, sagte Daniela. „Wir fahren jetzt erst mal los.“ Sie beugte sich über ihn und zog den Anschnallgurt über seine Brust.
Kiran stöhnte leise. Wahrscheinlich war ihm übel.
„Entspann dich“, sagte Daniela. „Wir fahren jetzt zu deinem Auto und dann bist du gleich zu Hause. Da kannst du dich ins Bett legen, bis es dir besser geht.“
„Ja, gut“, flüsterte er.
Daniela startete den Motor und setzte vorsichtig aus der Parklücke.
Patricia lief über die Fußgängerampel und bog dann in die Seitenstraße ein, die zum Babylon führte. Sie hatte Kiran eine SMS gesendet, dass es etwas später würde, aber er hatte nicht geantwortet. Patricia überquerte noch eine Straße und steuerte auf die Ecke des Hausblocks zu. Sie betrat die Bar. Einige Tische waren besetzt und hier und da standen die gelben „Reserviert“-Schilder. Sie hatte erwartet, Kiran an der Bar vorzufinden, aber er war nirgends zu sehen. Sie ließ den Blick ein zweites Mal durch den Raum schweifen, aber das Babs, wie sie es am Set nannten, war ein überschaubares Etablissement. Sie setzte sich auf einen der Barhocker und wartete. Vielleicht war er nur kurz zur Toilette gegangen. Die Bedienung fragte, ob sie etwas bestellen wollte und sie entschied sich für eine Cola Light. Ob Alkohol an diesem Abend vorgesehen war, wusste sie ja noch nicht.
Die Cola kam, aber Kiran ließ auf sich warten. Patricia sah auf ihr Handy. Nichts. Sie wählte ihn an. Mailbox. Sie sah sich wieder um, obwohl es zwecklos war. Aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Nach weiteren zehn Minuten kamen ihr langsam Zweifel. Etwas stimmte nicht. Kiran war nicht der Typ, der sich einen Scherz erlaubte. Etwas musste ihn aufgehalten haben. Oder er war vor Ort gewesen und dann wieder gegangen, warum
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