Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
sowieso nichts dazu sagen, noch nicht. Und Spekulationen zu ertragen, denen sie nicht widersprechen durfte, das war nicht ihr Ding. Viel sinniger war es, sich Gedanken über Kiran zu machen, ihn ein wenig zu streicheln und den nächsten Tag zu planen.
Die Nacht schritt weiter voran. Kiran schlief und gab kein Lebenszeichen von sich, das auf ein baldiges Aufwachen hoffen ließ. Daniela hatte sich neben ihn gelegt, eine Hand auf seinem Arm. Zweimal nickte sie kurz ein, schrak aber immer wieder hoch, weil sie glaubte, er habe sich bewegt. Dann sank sie endgültig in Schlaf.
Etwas weckte sie. Sie wusste zuerst nicht, was es war, noch wo sie war. Jemand berührte sie und sie zuckte zusammen, wie aus Reflex, als erinnerte sich ihr Gehirn, dass es hätte wachsam sein sollen, aber seine Pflicht vernachlässigt habe. Sie öffnete die Augen und sah das leicht dämmrige Licht, das durch die geschlossenen Läden hereinfiel. Wieder berührte sie etwas am Arm.
Sie fuhr hoch. Kiran bewegte sich unter der Decke und er drehte den Kopf unruhig hin und her. Seine Augenlider flatterten ein wenig. Sofort befand sich Danielas Geist in höchster Alarmbereitschaft, während ihr Körper sich noch über den plötzlichen Schlafabbruch beklagte.
Kiran stöhnte. Er öffnete die Augen ein wenig und blinzelte. Es war komisch, aber Daniela hatte fast vergessen, wie schön seine seltenen blauen Augen aussahen. Sie lächelte unwillkürlich. Jetzt würde sie sich um ihn kümmern und ihren Plan endlich in die Tat umsetzen. Sie beugte sich über ihn.
„Hey Kiran“, flüsterte sie. „Wie geht’s dir?“
Er sah zu ihr auf. Verwirrt. Unsicher. Daniela lächelte.
„Du bist in einem Ferienhaus, falls du dich wunderst, was ich verstehen könnte“, sagte sie.
Er sah sie weiter an und seine Lippen bewegten sich.
„Warum?“, flüsterte er, und Daniela erschauerte wieder vor den zärtlichen Gefühlen, die sie durchströmten. Er war so niedlich in seiner Benommenheit.
„Weißt du das nicht mehr?“, fragte sie und es klang ehrlich überrascht. Ihr Schauspieltraining zahlte sich endlich aus.
Kiran drehte den Kopf. Dann versuchte er, sich aufzurichten.
„Was … was ist das hier?“, fragte er. Daniela drückte ihn sanft wieder in die Kissen.
„Bleib erst mal liegen, bis es dir besser geht.“
„Wo bin ich hier? Was machst du?“ Er versuchte wieder, aufzustehen und Daniela brauchte etwas mehr Kraft, um ihn zurückzuhalten.
„Kannst du dich denn an nichts mehr erinnern?“, fragte Daniela wie beiläufig und hoffte inständig, dass er sich nicht erinnerte.
„Ich weiß nicht“, flüsterte Kiran.
„Du hast ein bisschen viel getrunken gestern“, sagte Daniela. „Ich hab dich zufällig in der Bar getroffen, weißt du noch?“
Kiran nickte ein wenig. „Ich hab getrunken?“
„Ja, das war wohl etwas viel. Jedenfalls war dir schlecht und du warst sehr lustig. Du hast viel geredet und wolltest dann nach Hause. Aber deine Adresse konntest du nicht mehr sagen. Deshalb hab ich dich mit zu mir genommen. Ich konnte dich doch nicht auf der Straße sitzen lassen.“
„Das weiß ich nicht mehr“, sagte Kiran. Es klang schleppend. „Warum hab ich so viel getrunken? War ich allein?“
„Zuerst war da noch so eine Frau, aber dann hast du allein weiter getrunken.“
„Patricia“, flüsterte Kiran. „Oh Gott, was denkt sie jetzt … oh Mann.“
Danielas Alarmglocken läuteten in ihrem Kopf. Patricia. Kiran hatte sich mit der Maskenbildnerin treffen wollen. Aber warum?
„Ich muss sie anrufen“, sagte Kiran und richtete sich wieder auf. Diesmal hinderte Daniela ihn nicht daran. Sie konnte ihn nicht den ganzen Tag in die Kissen zurück drücken. Wichtig war, ihn jetzt von Patricia abzulenken.
„Wo ist mein Handy?“, fragte Kiran und rutschte zur Bettkante.
„Keine Ahnung“, log Daniela. Sie hatte das Telefon gestern abgeschaltet und in ihrem Schrank versteckt. Ob sie es ihm zurückgeben würde, wusste sie noch nicht. Zur Not konnte sie behaupten, er habe es in ihrem Auto verloren.
Kiran suchte mit langsamen, noch unkontrollierten Bewegungen seine Hosentaschen ab.
„Es ist weg. Ich muss sofort nach Hause und sie anrufen. Und … ich muss ans Set! Wie spät ist es?“
„Gleich acht. Es ist sowieso zu spät und willst du in dem Zustand dort auflaufen?“
Was sollen denn die Nachbarn denken, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Mutter. Die würde ins Koma fallen, wenn sie sah, was Daniela hier tat. Und alle Nachbarn mit
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