Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
auch immer.
„Entschuldigen Sie“, sprach sie den Barkeeper an. „Haben Sie vorhin hier einen jungen Mann gesehen, dunkle Locken, leicht ausländischer Typ? War der hier?“
„Ja, der war eben noch hier, wenn er es war“, sagte der Mann, wie selbstverständlich.
„Ist er weggegangen?“
„Ja, zusammen mit einer jungen Frau. Tut mir leid.“ Er machte ein Gesicht, als ob Patricia wegen dieser Nachricht in Tränen ausbrechen könnte.
„Nein, nein, kein Problem. Er ist ein Kollege von der Arbeit“, sagte Patricia schnell.
„Ach so.“ Der Barkeeper lächelte erleichtert.
„Hat er gesagt, wohin er gegangen ist?“, fragte sie weiter.
„Nein. Ihm war übel und sie wollten an die frische Luft. Sie sagte, das würde ihm öfters passieren. Der Kreislauf.“
„Wer sagte das? Die Frau?“
„Ja, sie meinte, er sei ihr Freund und sie würde das schon kennen.“
Patricia sah ihn etwas verwirrt an. Sprach er wirklich von Kiran?
„Hatte der Mann denn Alkohol getrunken?“
„Ich weiß nicht. Er hat nichts bestellt. Die Dame hat zweimal Orangensaft bezahlt.“
„Danke. Aber das kann er nicht gewesen sein. Ich danke Ihnen.“
„Kein Problem.“ Der Barmann lächelte und wandte sich wieder seinen Gläsern zu.
Patricia überlegte. Dass dieser Mann Kiran war, schloss sie aus. Er hatte keine Freundin, war mit ihr verabredet und außerdem hatte er nie Probleme mit dem Kreislauf gehabt, solange sie ihn kannte. Der andere Mann sah ihm zufällig ähnlich. Ausländische Typen waren keine Mangelware in Berlin.
Patricia trank ihre Cola, wartete und dachte nach. Es gab bestimmt eine Erklärung für das alles. Sie blieb noch über eine Stunde und schrieb Kiran noch zwei SMS. Eine, dass sie wartete und eine zweite, dass sie jetzt nach Hause gehen würde und er sich bei ihr melden solle.
Daniela warf einen Blick auf den Beifahrersitz. Vor ein paar Minuten war Kiran eingeschlafen. Das war normal, sie hatte es so recherchiert. Trotzdem wurde sie etwas nervös. Falsch dosiert konnten die Tropfen einen Atemstillstand hervorrufen. Er durfte bewusstlos sein, aber er musste atmen. Sie achtete beim Fahren darauf, dass sich seine Brust hob und senkte. Sie hielt an einer roten Ampel und stellte schnell die Lehne des Sitzes etwas nach hinten, damit er in eine leicht liegende Position kam. Sie hatte mal gelesen, dass die Erstickungsgefahr bei Bewusstlosen abnahm, wenn man den Kopf überstreckte. Das bekam sie auf die Schnelle nicht hin, aber so war es besser, wenn sein Kinn nicht auf die Brust sank.
Die Ampel sprang auf Grün und Daniela fuhr an. Bis zu ihrem Ferienhäuschen brauchte sie noch gute fünfzehn Minuten. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass sie es so weit geschafft hatte. Alles war glatt gegangen. Und ihre Mutter, die Idioten im BIH-Forum und die Leute am Set, die sie für eine schwangere, kreislaufschwache Komparsin hielten, ahnten nichts von ihrem Geniestreich.
Sie sah noch einmal kurz zu Kiran hinüber. Er atmete und schlief, wusste nicht, wohin er gebracht wurde. Er war hilflos und sie trug die Verantwortung. So, wie sie es vorausgesehen hatte. Daniela freute sich schon darauf, sich um ihn zu kümmern. Wenn der ganze Stress vorbei war, wenn er in der Hütte auf dem Bett lag, dann konnte sie die Zeit mit ihm genießen. Sie würde ihn versorgen und es ihm bequem machen. Und vielleicht gönnte sie sich sogar einen Blick ins Forum, um sich die Spekulationen der Fans durchzulesen, ihre Schwärmereien, die ins Leere gingen.
Bei diesem Gedanken durchflutete sie die Vorfreude wie ein heißer Schauer. Sie nahm den Fuß vom Gas, weil sie zu schnell fuhr, mit glühendem Gesicht, voller Ungeduld.
Sie durfte nicht auffallen oder wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten werden.
8
Daniela parkte vor ihrem Ferienhaus und stieg aus. Sie schloss die Tür auf und ging ins Schlafzimmer. Das Bett war bereit, die Decke zurückgeschlagen. Sie öffnete alle Türen, denn gleich musste sie Kiran ins Haus schleppen und Hindernisse konnte sie nicht brauchen.
Dann ging sie zum Auto zurück und öffnete die Beifahrertür. Da lag er, mit geschlossenen Augen, so hilflos, dass er ihr einen Augenblick lang leid tat. Aber sie kümmerte sich jetzt um ihn und dann wurde es besser. Daniela löste den Anschnallgurt. Dann schob sie ihre Arme hinter seinen Rücken und zog ihn ein wenig zu sich. Sie griff ihn unter den Armen, wie sie es im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte, und verschränkte ihre Hände vor seiner Brust.
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