Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
sie dick auftrug. Etwas melodramatisch, aber sie spürte, dass der Mann ihr nicht so bereitwillig Auskunft geben wollte. Vielleicht ein Datenschutztyp.
„Nein, sie hatte eher kurze Haare“, sagte er. „Tut mir leid.“
Patricia seufzte. „Schade. Danke für Ihre Mühe.“
„Dafür nicht“, sagte der Mann. „Schönen Abend noch.“
Patricia legte auf. Sie nahm ihre Liste und wollte die Adresse streichen. Dann hielt sie inne. Die Frau hatte eher kurze Haare gehabt. Aber wie viele junge Frauen hatte sie überhaupt als Mieterinnen ausfindig gemacht? Kaum welche. In der Regel mieteten sich Paare oder Familien ein. Und die Adressen, zu denen sie keine Informationen hatte bekommen können, die hatte sie fast alle schon kontrolliert.
Eine junge Frau hat sich bei uns eingemietet.
Rotbraune, schulterlange Haare? Nein, eher kurz.
Aber die Farbe stimmt? Danielas Hochsteckfrisur.
Patricia presste die Hand vor den Mund. Sie sah ihr bleiches, geschocktes Gesicht im Rückspiegel. Das war sie! Hochwahrscheinlich war sie das! Alles passte, die Lage, der Zeitpunkt …
Patricias Hände zitterten, als sie den Zündschlüssel drehte. Eine Spur, eine echte Spur! Laut Navi brauchte sie fünfzehn Minuten bis zu dieser Adresse. Sie fuhr auf die Straße und musste sich beherrschen, um nicht zu viel Gas zu geben.
Daniela öffnete ihre Emails. Sie hatte kein Telefon mehr und jetzt blieb ihr nur noch die schriftliche Anfrage nach Häusern. Das kostete Zeit und jede Stunde, die verstrich, machte sie nervöser. Es gab jetzt eine Mitwisserin, einen gefährlichen, schwachen Punkt. Patricia würde nicht untätig bleiben, auch wenn sie ihr gedroht hatte. Und woher wusste sie nur davon? Das war Daniela einfach unerklärlich. Sie hatte einen Fehler gemacht, etwas übersehen, aber was? Konnte Patricia sie hier finden und was tat sie dann? Daniela hielt es für möglich, dass die blöde Kuh doch mit der Polizei zusammen anrückte. Und was blieb ihr dann noch? Sich festnehmen lassen? Als Kirans Entführerin gebrandmarkt zu werden in der Presse? Der Hass aller BIH-Fans würde sie treffen. Sie würde gewiss Morddrohungen erhalten, im Forum geächtet werden. Und sie würden sie verurteilen. Gefängnis. Daniela dachte an ihre Mutter, an das, was sie sagen würde. Wahrscheinlich würde sie nie wieder etwas sagen. Die Blamage war größer, als Worte es ausdrücken konnten. Der ganze Ort würde mit Schande belegt sein.
Das sind die doch, wo diese Verrückte herkommt, die den Schauspieler entführt hat.
Ach ja, die. Wahrscheinlich herrscht da Inzucht. Die poppen alle untereinander. Kein Wunder, wenn da nur Gestörte bei rauskommen.
Daniela atmete hörbar ein. Das kam nicht in Frage. Das ging einfach nicht. Sie würden so über sie sprechen, weil sie, Daniela das Dorfmädchen, nicht erklären konnte, wie es dazu gekommen war. Dass alles ganz anders war, dass sie aus Liebe und Verzweiflung gehandelt hatte. Sie würden sie nicht zu Wort kommen lassen und ihr nicht glauben. Und Kiran … er war inzwischen gegen sie. Er mochte sie nicht mehr.
Daniela ließ ihren Kopf auf die verschränkten Arme sinken und weinte. Sie lag halb auf dem Küchentisch, ihr Notebook vor sich und schluchzte heftig. Was hatte sie nur gemacht? Wieder kamen Bilder hoch, von Alex, der lächelte. Ihrem Traummann, den sie seit Jahren so tief verehrte, für dessen Kuss sie noch vor Monaten ihre Seele verkauft hätte. Und das hatte sie auch getan. Sie hatte ihre Seele riskiert bei einem Pokerspiel, bei dem sie nur bluffen konnte. Für ihn.
So viel hatte sie für Kiran riskiert. Ihre Freiheit, die Beziehung zu ihrer Mutter und ihren Arbeitsplatz. Und er weigerte sich. Er lehnte sie ab, wusste es nicht zu schätzen, wie viel sie für ihn empfand. Und er hatte sie geschlagen. Die Beule an ihrem Kopf tat weh, aber noch mehr schmerzte sie, dass er in der Lage gewesen war, Gewalt gegen sie anzuwenden. Was musste in ihm vorgehen, dass er bereit war, sie zu schlagen? Nur, weil sie etwas Druck ausgeübt hatte, bis sie ihm wieder mehr Freiheit einräumen konnte. Die Umstände zwangen sie dazu und sie tat ihm nicht gern weh. Dass er das nicht verstand und dann so aggressiv wurde, damit kam sie nicht zurecht.
Daniela wischte die Tränen aus ihrem Gesicht und richtete sich auf. Sie musste wieder mal ihre spezielle Fähigkeit aktivieren und sich zurückholen in eine handlungsfähige Verfassung. Die Polizei konnte sie finden und sie musste sich vorbereiten. Sie stand auf und ging zu ihrer
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