Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
lautlos und schob es in die Hosentasche. Dann schlich sie los. Erst lief sie noch zügig, dann immer vorsichtiger. Das Häuschen tauchte im Halbdunkel des Abends auf. Die Umrisse konnte sie noch erkennen. In einem der Fenster brannte Licht. Patricia hörte ihr Herz schlagen, während sie näher schlich, Schritt für Schritt, möglichst ohne Äste zu zertreten. Sie versteckte sich hinter Bäumen, lief immer geduckt bis zur nächsten Deckung. Jetzt, wo sie hier war, durfte sie nichts mehr riskieren. Kiran befand sich vielleicht in diesem Haus und bei dem Gedanken wurde ihre Kehle eng. Ein kleines Auto stand vor der Tür, ein Fiat. Im Halbdunkel konnte sie die Farbe nicht eindeutig bestimmen, aber es konnte blau sein. Durchaus.
Das ist es! Ich hab sie. Ich hab sie …
Patricia lehnte schwer atmend an einem Baum. Jetzt kam es drauf an. Erst musste sie feststellen, wo Kiran war. Und dass er dort war, davon ging sie jetzt fest aus. Und sie musste ins Haus. Wahrscheinlich durchs Fenster. Patricia überlegte, ob sie doch die Polizei anrufen sollte. Es gab Argumente dafür und dagegen. Sie nahm das Handy und rief Kerstin an. Die meldete sich nach zweimaligem Klingeln.
„Ich bin’s“, flüsterte Patricia in ihr Handy. „Hörst du mich?“
„Ja, hör dich. Was flüsterst du denn so?“, sagte Kerstin.
„Pass auf, du musst mir jetzt genau zuhören. Das ist kein Scherz. Es geht um Leben und Tod, hast du mich verstanden?“, fragte Patricia.
„Ja … ja, oh mein Gott, Süße, was machst du, wo bist du?“, hörte sie Kerstins aufgeregte Stimme.
„Ich weiß, wo Kiran ist. Er wurde entführt.“
„Was?“, schrie Kerstin. „Bist du sicher?“
„Todsicher. Ich habe mit der Entführerin gesprochen. Es ist Daniela Kranz, diese Komparsin, die Schwangere. Ich stehe gerade vor ihrem Haus.“
„Curly! Bist du verrückt! Ich hole die Polizei. Beweg dich da nicht weg!“, rief Kerstin.
„Nein! Hör zu! Sie will Kiran töten, wenn sie die Polizei hier sieht. Sie wird ihn umbringen, hast du das verstanden! Tu genau was ich sage, nur, was ich sage!“
„Ja …ja, okay. Oh Gott, Kleine. Oh Gott! Was machst du jetzt?“
„Ich werde reingehen.“
„Nein!“
„Kerstin! Ich brauch dich jetzt! Du musst jetzt für mich funktionieren, das ist wichtig! In fünfzehn Minuten ab jetzt rufst du die Polizei an und schickst sie zu der Adresse. Schick ich dir gleich per SMS. Wenn ich es bis dahin nicht geschafft hab, machen die auch nix mehr kaputt“, sagte Patricia.
„Curly, tu das nicht. Ich hab Angst um dich. Wie hat sie es denn geschafft, ihn zu entführen? Ich fasse das gar nicht, ich kann das nicht … oh Mann …“
„Kerstin! Reiß dich jetzt zusammen. Für mich, okay? Für mich.“
„Okay. Ich machs. Schick mir die Adresse“, sagte Kerstin und Patricia erkannte an ihrem Tonfall, dass sie ihr diese Aufgabe jetzt überlassen konnte.
Sie sandte die Nachricht ab und steckte das Handy wieder ein. Dann schlich sie gebückt weiter. Um das Haus herum lag Kies und der würde knirschen, wenn sie darüber lief. Sie musste sich noch vorsichtiger bewegen. Sie erkannte die Haustür und auf dieser Seite gab es auch die erleuchteten Fenster. Patricia ging durch das Unterholz zur Rückseite des Hauses. Dort lag alles im Dunkeln. Die Fensterläden waren geschlossen. Sie ging weiter und dann sah sie ein kleines, dunkles Viereck. Eine Luke? Sie pirschte sich heran, setzte die Füße leise auf. Sie trug Turnschuhe mit weicher Sohle, die sich jetzt bezahlt machten. Sie schaffte es bis zur Hauswand. Sie lauschte. Nichts zu hören. Sie richtete sich auf und glitt wie ein Schatten an der Hauswand entlang bis unter die Luke, die sich als kleines Fenster entpuppte. Es schien gekippt zu sein. Vorsichtig richtete sie sich auf und spähte seitlich hinein, wobei sie ihr Gesicht so gut wie möglich hinter der Wand verbarg.
Ein schwacher Lichtschein fiel in das kleine Zimmer. Sie erkannte eine Dusche und ein Waschbecken. Das Bad! Niemand hielt sich darin auf, aber im Nebenraum vielleicht, denn das Licht fiel durch den Türspalt. Patricia schob ihre Hand durch den Fensterspalt und langte nach dem Griff. Sie packte ihn und drehte gefühlvoll daran. Sie durfte kein Geräusch machen. Der Griff gab nicht nach und sie verstärkte den Druck ein wenig nach unten. Es knackte und sie erschrak. Der Fenstergriff stand nun waagrecht und sie konnte das Fenster aufschieben, aber zuerst wartete sie eine Weile, ob sich etwas im Haus tat. Es geschah nichts und
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