FOOD CRASH
Umweltgipfels in Johannesburg verabschiedet wurde. Da dieser Bericht eines der wichtigsten Dokumente in der Diskussion um die zukünftige Ausrichtung von Landwirtschaft und Ernährung in der Welt ist, ist es unabdingbar, ihn hier in einigen Zeilen vorzustellen. [110]
Benny Haerlin
ist ein zäher Kämpfer für Umweltschutz und eine zukunftsfähige Landwirtschaft; er hat in seinem Leben reiche Konferenzerfahrung auf europäischem und internationalem Niveau gesammelt. Dass er sich im Herbst 2002 im Gründungskreis des Weltagrarrates wiederfand, war einem erstaunlichen Umstand geschuldet: Der Weltbank war es ein wichtiges Anliegen, durch die Auswahl der Akteure für Ausgewogenheit in der Arbeit des Weltagrarrates zu sorgen. Ein Vertreter des amerikanischen Chemie- und Saatgutriesen Monsanto sollte ebenso dabei sein wie ein Aktivist von Greenpeace. Dass Haerlin damals die Gentechnik-Kampagne dieser Organisation leitete, verschaffte ihm eine Aufgabe, die ihn für viele Jahre in Beschlag nahm. Heute leitet er das Berliner Büro der
Zukunftsstiftung Landwirtschaft,
die biologische Saatzucht fördert, sich aber auch mit grundsätzlichen agrarpolitischen Themen befasst. Nach wie vor hält er Vorträge zum Weltagrarbericht, schreibt Artikel und betreibt eine Webseite zu dem Thema, um Politiker von der Bedeutung dieses Dokuments und der darin dargestellten Erkenntnisse zu überzeugen. Robert Horsch, damals Vizepräsident von Monsanto, zog sich dagegen schon während der Konzeptphase aus dem Prozess zurück. Heute leitet er die Agrarabteilung der
Bill und Melinda Gates Stiftung.
Ein Kollege des Konkurrenten Syngenta nahm seinen Platz im Aufsichtsrat des Weltagrarrates ein.
Wenn Benny Haerlin beschreibt, wie zäh die Delegierten um jeden Satz des Abschlussberichtes gerungen haben, bekommt man eine Ahnung davon, welche enorme Leistung es darstellt, dass am Ende ein Konsens gefunden und verabschiedet werden konnte. Dem ging wie gesagt ein mühsamer Prozess voraus, der über Jahre dauerte. Nachdem die Weltbank und die Vereinten Nationen den Vorschlag gemacht hatten, eine »Internationale Bewertung des landwirtschaftlichen Wissens, der Forschung und der Technologie für Entwicklung«
(International Assessment of Agricultural Knowledge, Science, and Technology for Development,
IAASTD),
kurz: Weltagrarbericht, vorzunehmen, fanden zunächst Anhörungen in allen Kontinenten statt, um eine präzise Aufgabenstellung und Struktur zu erarbeiten. Dies mündete in einen gemeinsamen Vorschlag mehrerer UN -Organisationen [111] , auf den hin das Plenum der Nairobi-Konferenz den Prozess startete. Ein Büro wurde eingerichtet, das mit je 30 Regierungs- und Nichtregierungsvertretern besetzt wurde. Unter Letzteren fanden sich sowohl Personen aus Nichtregierungsorganisationen ( NGO ) als auch Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft. Direktor dieses Büros war
Robert T. Watson,
der bereits das
Intergovernmental Panel on Climate Change
( IPCC ), den Weltklimarat, geleitet hatte. Die Präsidentschaft versah die Kenianerin
Judy Wakungu,
die das Afrikanische Zentrum für Technologiestudien leitet, zusammen mit jemand, der uns schon begegnet ist: der Schweizer
Hans Herren.
Aufgabe des Büros war es, im Konsens die Autoren zu identifizieren, die den Bericht verfassen sollten, und die Fragen zu formulieren, die sie beantworten sollten. Dass die Erstellung des Berichtes volle drei Jahre in Anspruch nahm, unterstützt die Ernsthaftigkeit des Vorganges. Zwei Entwürfe wurden der Fachwelt, dem sogenannten
peer review,
vorgelegt und rund 20 000 Kommentare nach den Regeln wissenschaftlicher Beweisführung verarbeitet. Bei der Auswahl der Autoren wurde zudem Wert darauf gelegt, nicht allein wissenschaftliche Expertise, sondern auch praktische Erfahrung und traditionelles Wissen, das in den Gesellschaften aller Regionen dieser Welt verfügbar ist, einfließen zu lassen. Von 2005 bis 2008 wurden von 400 Autorinnen und Autoren fünf regionale, ein globaler und ein Synthese-Bericht zu dem Ergebnis gebracht, das dann im April 2008 in Johannesburg verabschiedet wurde. Als sich das Ergebnis abzeichnete und vertrauliche Briefe an die Leitung der Weltbank, das Ergebnis doch bitte schön »ausgewogener« zu gestalten, das wissenschaftliche Verfahren nicht aushebeln konnten, zogen sich die Vertreter von Syngenta und der Gentechnikvereinigung
Croplife
unter Protest zurück. Die Vertreter der USA , von Kanada und Australien, die intensiv an dem Bericht mitgearbeitet
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