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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Unterwäsche schwarz gefärbt waren, brauchte er nicht zu befürchten, eines Nachts in Gesellschaft eines Gespenstes in seinem Zimmer aufzuwachen.
    Neben dem Haus stand ein kleiner Schuppen aus verrotten-1 den, splittrigen braunen Brettern, und hier stellte Ragnarök, als er vom North Campus zurückkehrte, sein Motorrad unter. Er ließ das Vorhängeschloß an der Tür zuschnappen, warf, wie er es immer tat, einen Blick zum stillen Knochenacker hinauf und ging dann zum Hauseingang.
    Das Türschloß funktionierte nicht mehr. Halfast hatte wiederholt versprochen, einen Handwerker vorbeizuschicken und es richten zu lassen, aber da Ragnarök ihn nicht drängte, ließ er siel: Zeit damit. Die einzige Methode, ins Haus zu kommen, bestand gegenwärtig darin, mit Kraft und Ausdauer an der Klinke zu rütteln, bis das Schloß aufschnappte. Dies tat Ragnarök, dann trat er ins Haus und machte die Tür sofort wieder hinter sich zu. Er ließ alle Lichter aus und durchquerte das Wohnzimmer (das zugleich , auch sein Schlaf- und Arbeitszimmer war) im Dunkeln, ohne irgendwo anzustoßen. Im Bad brauchte er nicht einmal die Deckenlampe einzuschalten, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Seitdem er den Spiegel über dem Waschbecken entfernt hatte, gab es außer den Kakerlaken ohnehin nichts zu sehen.
    Nachdem er sich gewaschen hatte, ging er ins Wohn-Schlaf-Arbeitszimmer zurück und zog sich aus. Mit etwas Licht hätte man in diesem Augenblick zwei Narben auf Ragnaröks Körper erkennen können: eine lange, dünne, die sich quer über die Brust zog, und eine schlecht verheilte Kerbe an der linken Schulter. Er schlüpfte in das dunkle, knöchellange Hemd, in dem er schlief, legte sich in das knarrende Bett und zog eine Decke wie ein Stück sternlose Mitternacht bis zum Kinn hoch.
    Die Leute werden denken, du. bist ein Vampir, Rag, hatte Myoko zu ihm gesagt, als sie ihm ihren ersten und letzten Besuch abgestattet hatte. Fujiko hatte das Haus so gruselig gefunden, daß sie gleich draußen geblieben war. Es war Ragnarök gleichgültig, was die Leute über seine Wohnung oder ihn dachten, solange er seine Alpträume auf ein Mindestmaß beschränken konnte.
    Heute nacht würden die Schreckensbilder allerdings nicht fernbleiben. Er schloß die Augen
    und er ist wieder in Nordkarolina, ein kleiner Junge namens Charlie, Sohn eines Zimmermanns, der im Westen der Stadtgemeinde Griff in’s Rest wohnt. Es ist sein Geburtstag, er ist sechs geworden und steht allein mitten im Wohnzimmer, während sein Vater den Eßtisch abräumt. Er hält ein letztes, noch unausgepacktes Geschenk in Händen, eine in braunem Papier eingewickelte lange schmale Schachtel. Er hält sie an sein Ohr und schüttelt sie, hört nur einen dumpfen Schlag und denkt im Traum: tote Schlangen, tote Schlangen.
    Ein Lidschlag, und die Schachtel ist offen, Papier auf dem Boden verstreut, Charlie betrachtet sich aufmerksam in dem hohen Spiegel, der eine Ecke des Zimmers ziert. Das Kostüm, das letzte Geschenk, läßt ihn wie ein kleines Gespenst aussehen, ein Gespenst mit einer spitzen Haube und einem roten Kreis über dem Herzen, einem roten Kreis, der eine rote Flamme umschließt. Sein Vater Drew steht neben ihm: ein größeres Gespenst; Drew legt ihm eine Hand auf den Nacken, eine Traumhand aus Blei.
    »Zeig das ja niemand, außer ich erlaub’s dir ausdrücklich, Partner«, warnt ihn sein Vater.
    »In Ordnung, Papa«, sagt er.
    »Ich hab dich lieb, Charlie.«
    »Ich dich auch, Papa«, sagt er
    und rennt über die Schnellstraße, die in nördlicher Richtung aus der Stadt führt, rennt dem dunklen Jungen nach, der in diesem Augenblick mit einer Flanke hinter dem Friedhofszaun verschwindet. Charlie ist jetzt älter; seine Freunde Scott Noble und James Earl begleiten ihn auf dieser Jagd. Zu dritt sind sie schnell, schneller als der Dunkle; als sie selbst den Friedhofbetreten, liegen sie keine zwanzig Schritt zurück.
    Charlie ist der schnellste von allen. Er hängt die anderen ab, springt über Gräber. Alle Grabsteine tragen den Namen seiner Mutter. Er rennt, Scott und James Earl rufen, er solle langsamer machen, wart doch, wart doch, aber er wittert die Beute und läßt sie hinter sich zurück. Jetzt sind nur noch zwei im Rennen.
    Das Gelände wird abschüssig, unten ist ein Fluß. Der Dunkle platscht halb durch und stolpert dann über einen Stein. »Jetzt hab ich dich, Penner! Jetzt hab ich dich!« schreit Charlie triumphierend. Er springt ins Wasser, und der Dunkle steht

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