Fool on the Hill
daß du ihn nicht gefunden hast?«
»Da fragst du noch?! Unsere endlose Wanderung, bei der wir auch noch fast von einer Meute von Reinrassigen - nichts für ungut - umgebracht worden wären, und jetzt stellt sich heraus, daß wir nicht einmal die Vorurteile hinter uns gelassen haben...«
»Du betrachtest die Sache also offensichtlich von der falschen Seite«, erklärte Ruff. »Als ich deine Geschichte zum erstenmal von Denmark hörte, hab ich zu mir gesagt: Wie schade! Aber auch: Wie wundervoll! Dann habe ich die Geschichte ein paar anderen Hunden nacherzählt, die zu mir gekommen waren, um etwas Unterhaltsames zu hören, und sie hat sie amüsiert oder verblüfft oder betrübt - doch genossen hat sie jeder von ihnen.«
»Aber was hat das damit zu tun, wie ich mich dabei fühle? Was kümmert’s mich, ob es einem wildfremden Hund Freude bereitet, meine Geschichte zu hören?«
»Luther, Luther... Jederhunds Lehre... der Sinn des Lebens...«
»Ist was?«
»Zu unterhalten!« rief der Setter aus. »Die ganze Welt: o Sonne o Himmel o Wind o Bäume o Hunde und Katzen, ist eine einzige Geschichte, ein großes, unterhaltsames Schauspiel!«
»Unterhaltsam für wen?«
»Für Gott, du Dussel. Für Gott, für Seinen Zwinger, vielleicht auch für Raaq.«
Luther kniff die Augen zusammen. »Raaq findet an Qual und Tod Vergnügen...«
»Und glaubst du etwa, Gott nicht? Glaubst du, Er weiß das Tragische und Grauenvolle nicht zu schätzen? Das Leben mit all seinen Schmerzen und Freuden ist eine Geschichte - oder besser geschichte - mit Gott als Zuhörer und uns Sterblichen als Handlung. Leuchtet dir das nicht ein? Und erklärt es nicht, warum wir den Knochen nur für einen Augenblick behalten dürfen, warum der Traum enden muß, damit ein neuer beginnen kann? Wem würde schon eine Geschichte gefallen, in der jeder immer vollkommen glücklich ist?«
»Verrückt«, sagte Luther nach dieser Rede. »Ich hatte recht, ihr Philosophen seid allesamt verrückt. Du tust mir leid, wenn das wirklich deine Auffassung von Gott ist.«
Zum drittenmal hätte Ruff lachen mögen.
»Ich tu dir leid?« sagte er, während er behaglich einen Hühnerknochen zermampfte. »Nein, an mich brauchst du kein Mitleid zu verschwenden. Glaub’s oder glaub’s nicht, aber Jederhunds Lehre, das Wissen um den Sinn des Lebens... schenkt mir Kraft, erbaut mich. In den schlimmsten Augenblicken, wenn alles sich gegen mich wendet, erfüllt mich die Erkenntnis, daß mein Kampf Teil der Geschichte ist, mit staunendem Entzücken. Und ich leide dann zwar weiter, auch das gehört zur Geschichte, aber das Leid wird durch Verwunderung auf gewogen... und die Augenblicke des Glücks werden durch dieses Staunen noch beseligender. Nein, bedaure mich nicht. Bedaure diejenigen, die den Knochenroman nicht begreifen können, die den Sinn des dauernden Auf und Ab ihres Lebens nicht zu erkennen vermögen... bedaure dich selbst, wenn du’s nicht kannst, andere Hunde, wenn sie’s nicht können, oder Katzen oder Sperlinge oder o die Tiere des Feldes oder selbst die Herren.
Ja... selbst die Herren.«
VII
»Wie schlimm ist es«, fragte Jinsei, »wenn ich mich zu dir hingezogen fühle?«
»Ungefähr genauso schlimm, wie wenn ich mich zu dir hingezogen fühle«, sagte Prediger. »Nicht so schlimm für uns. Aber für Rag...«
»Du glaubst also, das würde ihn sehr mitnehmen.«
»Verdammt, ich bin kein Psychologe, hab für diesen Freudquatsch nie was übrig gehabt, aber wundern tat’s mich nicht. Rag labert manchmal wie ein Wasserfall über Frauen. Aber das einzig sichere Anzeichen dafür, daß er etwas wirklich will, ist, daß dann irgendein Teil von ihm die Oberleitung übernimmt und sich prompt einen abbricht, um sicherzustellen, daß er es nicht kriegt. Na, und bei dir: Erst fährt er dazwischen und klärt die Sache mit Jack Baron und seinen Mitratten, es sieht so aus, als ob du etwas mehr als nur ein bißchen dankbar wärst, dann lädt er dich heut -gestern - abend auf eine Fete ein und besäuft sich zum erstenmal seit einem Jahr, na, und tut überhaupt sein Bestes, um sich wie ein Arsch aufzuführen...«
»Aber ich will ja nichts von ihm«, sagte Jinsei. »Nichts, was über Freundschaft hinausginge. Vielleicht dachte ich damals, als das mit Jack war, ich wollte mehr... aber ich glaube, ich habe einfach nur einen Menschen gebraucht. An dem Abend war ich völlig fertig, nichts hatte mich bis dahin je so mitgenommen, und Ragnarök war eben da. Vorher aber, als ich
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