Fool on the Hill
jetzt gelacht.
»Von dir gehört? Von dir gehört? Zum Teufel... ich erzähle doch deine verdammte Geschichte seit anderthalb Monaten!«
III
»Ich krieg Wassermelone einfach nicht runter«, sagte Prediger und legte Holz nach. Draußen stieg bereits die Sonne über den Horizont, aber sie waren noch immer durchnäßt und fröstelten. »Dasselbe gilt für Brathähnchen. Setz mich auf eine einsame Insel mit einem Melonenbeet und einem Hühnerstall, und ich würde höchstwahrscheinlich verhungern.«
»Hast du solche Angst vor dem Klischee?« fragte Jinsei.
»Mein Vater hatte Angst vor dem Klischee. Ich - ich hab vor dem Angst, was mein Vater mir diesbezüglich eingeimpft hat.«
Cowcliffes, einer der drei Säle, die vom Hauptkorridor im ersten Stock des Risley-Wohnheims abgingen, war, von ihnen abgesehen, menschenleer. Sie lagen auf Sofapolstern vor einem offenen Kamin; Calvin Coolidge war an einem Heizkörper im Flur angebunden worden, wo er gegenwärtig die Aushänge am Schwarzen Brett frühstückte.
»Er ist ein reicher Mann, mein Vater«, fuhr Prediger fort. »Kein Vergleich mit Löwenherzens Leuten zwar, aber immerhin. Und für eine solche Situation gibt es praktisch keine verbindlichen Verhaltensnormen. Auch wenn das Geld schon seit mehreren Generationen in unserer Familie ist - es stammt von einer gewissen Madame C.J. Walker, die mit Haarpflegemitteln ein Vermögen machte -, kam er nie richtig damit klar, daß er gleichzeitig reich und schwarz ist. Literatur und Film strotzen schließlich nicht gerade von entsprechenden Vorbildern. Deswegen ist er schon immer irgendwie ein bißchen aus dem Takt gewesen, und ich hab eine ganze Menge von ihm mitbekommen.«
Jinsei fuhr mit einem Finger die Linien seiner Hand nach. »Wie hast du Ragnarök kennengelernt?«
»Das... das hängt mit einer dieser ›Ideen‹ meines Vaters zusammen. Als ich ungefähr zehn war, fingen wir an, Pensionsgäste aufzunehmen - Weiße größtenteils. Nicht, daß wir auf den Nebenverdienst angewiesen gewesen wären, ganz und gar nicht, aber mein Vater hielt es für einen tollen Einfall, die Nackten zu kleiden und die Hungrigen zu speisen und so. Ragnarök war der letzte. Er kam aus Nordkarolina und war dermaßen abgebrannt, daß er nicht mal das bißchen, was wir normalerweise verlangten, aufbringen konnte. Aber das war meinem Vater egal, war ihm eher noch lieb, er nahm Rag auf und adoptierte ihn praktisch. Hat ihm sogar geholfen, das Stipendium für Cornell zu kriegen, und wenn du wüßtest, was Rag für einen Horror vor Almosen hat, könntest du beurteilen, was mein Alter da geleistet hat.«
»Warum war er denn abgebrannt, als er von zu Hause kam?« hakte Jinsei nach. »Warum hat nicht sein Vater ihm das Studium - wenigstens teilweise - finanziert?«
Prediger gab keine Antwort, starrte ins Feuer. Sie nahm einen zweiten Anlauf: »Hast du gehört, was am Abend der VAAC-Fete vor der Straight passiert ist?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
Sie erzählte es ihm. Prediger machte ein grimmiges Gesicht, schien aber nicht weiter überrascht zu sein. »Jack Baron... dieser Hurensohn wird noch mal ganz gewaltig auf die Fresse fallen. Fast ein Jammer, daß Ragnarök nicht gleich dafür gesorgt hat.«
»Ich möchte nicht indiskret sein«, fuhr Jinsei fort, »aber ich wüßte wirklich gern, was Ragnarök mit der Bemerkung meinte, sein Vater hätte seine Seele dem Teufel verkauft. Er wollte sich nicht weiter darüber auslassen, hat nur was von einem ›Bettlakenverkäufer aus Georgia‹ gesagt. Ich hab darüber nachgedacht, und es kommt mir fast so vor, als hätte er... na ja, als hätte er sagen wollen, daß sein Vater ein...«
»... Klanmann war«, vollendete Prediger, der in diesem Augenblick einen Entschluß gefaßt hatte, den Satz. »Ein Ghul, einer vom Fußvolk.« Er drückte ihre Hand. »Schon gut, über den Klan reden gehört nicht zu meinen Tabus. Wußtest du übrigens, daß Ku-Klux‹ vom griechischen Wort für ›Kreis‹ kommt?« »Aber ich dachte, den Klan gab’s gar nicht mehr.« »Teufel, und ob es ihn gibt, Lady! Die kommen vielleicht nicht mehr auf die gottverdammten fünf Millionen Mitglieder, die sie in den zwanziger Jahren hatten, aber es sollte mich schon tierisch wundern, wenn die jemals ganz verschwänden. Gehst unten aus dem Haus, ein kleiner Marsch von dreißig Kilometern, und du stehst vor einem aktiven Ortsverband.« »Das ist ja... wirklich kaum zu glauben.« »Viele Dinge sind kaum zu glauben,
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