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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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jedenfalls. Alma Jessops Vater mußte gelitten haben, doch sein Schmerz war nicht eigentlich mit Georges Seelenqualen vergleichbar: Um ein totes Kind und um eine verlorene Liebe trauert man nicht auf dieselbe Weise. Wenngleich einen beides zur Verzweiflung treiben kann...
    Im April war sie gestorben. Der April konnte in Ithaca ein sehr kalter Monat sein, doch zum Erfrieren gab es bestimmt bessere. Für einen Depressiven war es da schon zweckmäßiger, am Rand einer Schlucht spazierenzugehen und »aus Versehen« hinunterzufallen. Natürlich hatte Jessop nichts dergleichen getan: Er war vermutlich viel zu sehr mit der Anfertigung des Grabsteins für seine Tochter beschäftigt gewesen, um auch nur an Selbstmord zu denken.
    Genau! Das war’s; das war die Lösung. Dem Verlust einen schöpferischen Akt entgegensetzen. George war kein Steinmetz, doch er konnte den Schmerz in eine Geschichte kanalisieren. Ja, wie simpel: eine Geschichte über die vollkommene Frau... und den Narren, der sich in sie verliebte. Er konnte sofort damit anfangen, sobald er nach Hause kam; die Schreibmaschine hatte er bei seiner Möbelzertrümmerungsorgie ebenso verschont wie das Bett. Jetzt fürchtete er sich auch nicht mehr vor möglicher Schlaflosigkeit: Er würde schreiben, die ganze Nacht durchschreiben und irgendwann aus reiner Erschöpfung zusammenbrechen.
    Noch immer wehen Herzens, aber auch freudig erregt, kehrte er Alma Renat Jessop mit frisch gewonnener Entschlossenheit den Rücken. Ein Buch, ein neues Buch, das war es: um den Schmerz zu lindern.
    Er wollte jetzt eigentlich schnurstracks nach Hause gehen, doch seine Füße führten ihn aus reiner Gewohnheit an den äußersten Nordrand des Knochenackers. Und so eifrig dachte er über seinen Kalliope-Roman nach, daß er seinen Irrtum erst bemerkte, als er bereits an der Stelle angelangt war, wo sich alle Grabsteine wie die Blütenblätter einer grauen Blume kreisförmig von einem Mittelpunkt fort nach außen neigten.
    »Ah, Pandora!« rief er nach einem Augenblick der Verwirrung aus. Er schalt sich einen Dummkopf und Schlimmeres, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, wenn er schon hier war, einen Blick auf den Stein zu werfen. Er bückte sich und fegte da, wo sich seiner Meinung nach die Platte befinden mußte, den Schnee beiseite, brachte jedoch nur nackte Erde zum Vorschein. Er richtete sich wieder auf, trat einen Schritt zurück, und sein Fuß fand, wonach er gesucht hatte: George rutschte auf der schlüpfrigen Oberfläche der Marmorplatte aus, verlor das Gleichgewicht und fiel nach einigen halbherzigen Ruderbewegungen rücklings in den Schnee.
    Typisch, dachte er auf dem Weg nach unten. Dann knallte er mit dem Kopf gegen die Kante eines der umstehenden Grabsteine und verlor das Bewußtsein. Sein Mantel hatte sich vorne geöffnet; unablässig fiel der Schnee wie Asche auf die liegende Gestalt.
    Vom Schnee befreit, blitzte das Wort auf dem weißen Marmorquadrat gen Himmel:
     
    PANDORA
     
    Tief unter der gefrorenen Erde kicherte etwas.
     
    Deus ex Machina
     
    I
     
    Wieder einmal saß Mr. Sunshine an einer Schreibmaschine. In Chicago herrschte noch immer das Chaos, doch langsam wurde es ein bißchen langweilig; es war vielleicht Zeit, das Manuskript den Affen zu übergeben und dafür den ›Fool on the Hill‹ auf seinen Schreibtisch zu legen. Er mußte sich schleunigst etwas einfallen lassen, wenn er wollte, daß die Geschichte des Narren überhaupt noch weiterging.
    »George, George, George...«, Mr. Sunshine schüttelte den Kopf. »Was ist bloß mit dir los? Ich gebe dir eine Extraportion Optimismus, um sicherzugehen, daß du nicht auf Selbstmordgedanken kommst, und da rutschst du aus. Willst du unbedingt meine Geschichte ruinieren?«
    Ein plötzlicher Gedanke... Mr. Sunshine warf einen argwöhnischen Blick auf den Affen, der neben ihm stand. Das Tier zeigte keinerlei Reaktion.
    »Dich knöpf ich mir später vor«, versprach Mr. Sunshine. »Jetzt aber... brauchen wir hier eine schnelle Rettung. Hades, Hades, Hades, was mach ich bloß?«
    Er tat das, was in solchen Fällen erfahrungsgemäß das Beste war: Er überflog noch einmal die anderen Handlungsstränge, stellte fest, wo sich im Augenblick die verschiedenen Personen befanden. Und lächelte.
    »Natürlich«, sagte er. »Natürlich. Der beste Freund des Menschen - und des Narren. Ganz einfach. Das gefällt mir.«
    Er fing an zu tippen:
    LUTHER...
     
    II
     
    »So glaub’s mir doch, Blackjack, er hat den Wind gerufen,

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