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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Idiotie zu urteilen. Unglücklicherweise war er aber auch nicht in der Stimmung, eine Nacht in der Klinik zu verbringen. Sein Zimmergenosse war ein älterer Student mit Lungenentzündung, der nichts tat als kataleptisch auf die neueste Ausgabe des ›Soldier of Fortune‹ zu starren, was George entschieden nervös machte und in ihm die Frage aufkeimen ließ, ob es nicht das Gescheiteste gewesen wäre, einfach aus dem Fenster zu steigen und sich zu verdrücken.
    Etwa eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit heiterte sich jedoch seine Laune schlagartig auf. Aurora Smith war ins Zimmer getreten, und ihr Anblick ließ George, auch wenn er sich dessen nicht bewußt wurde, für eine geschlagene halbe Sekunde Kalliope vergessen. Oh, es steckte noch einiges mehr dahinter als nur ihr Aussehen: Sie war im Streifenwagen mit hochgefahren, hatte seinen verletzten Kopf auf ihren Schoß gebettet, und wenn er sich auch nicht daran erinnern konnte, ein Teil von ihm wußte es noch; und dieses Wissen um ihre freundliche Sanftheit trug dazu bei, daß er sie anlächelte.
    »Hallo«, grüßte er und richtete sich im Bett auf. Er bemühte sich, seinen Kopf zu schonen, wenngleich er keine Schmerzen mehr hatte; und auch seine angefrorenen Gelenke fühlten sich an wie neu.
    »Hallo«, erwiderte sie; sie blieb einen Moment unschlüssig stehen und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. George zeigte auf das Fußende des Bettes* und Aurora ließ sich darauf nieder. »Ich habe eine ganze Weile warten müssen«, sagte sie zu ihm. »Sie wollten mich zuerst gar nicht zu dir lassen.«
    »Hmm«, nickte George. »Ich glaub, die wissen, daß ich Geld habe. Wenn ich jetzt aufgrund unvorhergesehener Komplikationen sterben würde, könnte ich in reiferen Jahren unmöglich der Universität was stiften.«
    »Ach, George.«
    »Sag mal, du hast nicht zufällig eine Metallsäge dabei? Oder ein Fluchtauto hinterm Haus?«
    Aurora lächelte und schüttelte den Kopf. »Weder noch. Tut mir leid. Aber bist du sicher, daß du okay bist? Also, aussehen tust du -«
    »Toll.« Er musterte sie. »Du siehst so aus, als hättest du was auf dem Herzen.«
    »Habe ich auch«, gestand sie mit ernster Miene. »Ich hab bloß Angst, daß du mich vielleicht auslachst, wenn ich’s dir sage... oder es nicht tust. Wobei ich nicht genau weiß, was von beidem schlimmer war.«
    »Probieren wir’s doch einfach aus. Nur zu, ich höre.«
    Aurora brachte die Worte nur mühsam heraus: »Ich glaube... ich glaube, wir sind irgendwie... verplant, George.«
    »Verplant? Wozu verplant?« Trotz seiner erstaunlich guten körperlichen Verfassung fühlte er sich seelisch völlig ausgelaugt und hätte nicht geglaubt, daß ihn nach den Ereignissen dieses Tages noch irgend etwas würde erschüttern können. Aber er täuschte sich. Was Aurora nach kurzem Zögern sagte, warf ihn endgültig aus dem Gleis.
    »Ich bin in dich verliebt«, sagte sie zu ihm. »Und ich glaube, daß das sehr bald auf Gegenseitigkeit beruhen wird.«
     
    II
     
    Mr. Sunshine ging durch einen langen, höhlenartigen Korridor. Er mochte diesen Teil der Bibliothek nicht; hier waren die Anderen - uralte, an den fensterlosen Wänden aufgereiht sitzende Gestalten, die durchaus aus Stein hätten sein können, es jedoch nicht waren. Ein muskulöser Schmied, zu dessen Füßen Donnerkeile rosteten; ein Ziegenmensch mit zwei Hörnern auf dem Kopf und einem dritten in der Hand; ein bartloser Patriarch und seine Frau; acht jüngere Frauen mit einem neunten, leeren Stuhl in ihrer Mitte und viele andere mehr. Sie waren weder tot noch lebendig, und Mr. Sunshine wäre lieber Zeuge einer Sonnenfinsternis geworden, als auch nur einen Augenblick länger als absolut notwendig in ihrer Gesellschaft zu verbringen.
    Unglücklicherweise befand sich hier auch der Kühlschrank, und Mr. Sunshine hatte sich noch nicht dazu aufraffen können, ihn an eine ansprechendere Stelle zu schaffen. Der Kühlschrank stand am hinteren Ende des langgestreckten Korridors, und als Mr. Sunshine schließlich dort ankam und ihn öffnete, fragte er sich wie immer, ob das Lämpchen innen in seiner Abwesenheit wohl weiterbrannte oder von selbst verlosch, sobald die Tür zuging. Auf die Lebensmittel im Kühlbereich - Milch, Ambrosia, den urzeitlichen Schafskäse - warf er kaum einen Blick, sondern öffnete gleich das Eisfach. Hier fand er, was er benötigte: ein Spielzeug, das er schon seit langem tiefgefroren aufbewahrte.
    Es war ein Vogel, ein grimmiger weißer Vogel aus Eis und

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