Fool on the Hill
erfreulichen Protestschrei aus).
Der Aufstieg vom Knochenacker war eine der anstrengendsten Aufgaben, die George je zu bewältigen hatte. Er schien mit jedem Schritt zu stolpern, und die Grabsteine stellten sich selbsttätig zu einer Hindernisstrecke auf, legten es mit aller Kraft darauf an, ihn zu Fall zu bringen. Dafür hatte es aufgehört zu schneien, und der Wind wehte ihm vom Tal her hilfreich in den Rücken. Auch Luther half ihm; zweimal rutschte George aus und stürzte, und zweimal zwickte, stupste und bellte ihn der Hund an, bis er sich aufgerappelt und wieder in Bewegung gesetzt hatte.
Nach einer kleinen Ewigkeit stand er mit schwirrendem Kopf auf dem Gehsteig der Stewart Avenue. Er hörte eine Stimme, die ihn von der anderen Straßenseite her beim Namen rief, und blickte auf in Erwartung einer weiteren Vision von Kalliope. Statt dessen sah er eine blonde, christliche Prinzessin, die sich (ein winziges Kreuz am Hals) für einen Augenblick mit der rechten Hand auf die Kofferraumhaube eines schneebedeckten Käfers stützte. Besorgnis furchte ihre Stirn, und sie war sehr schön.
»Borealis«, begrüßte sie George, dem ihr einfacherer erster Vorname im Augenblick unaussprechlich vorkam.
»George, ist alles in Ordnung?« fragte sie. Er sah aus wie der leibhaftige Tod. Als ihr auffiel, daß er wie ein betrunkener Fahnenmast schwankte, verließ sie den Parkstreifen und begann die Straße zu überqueren, um ihm zu Hilfe zu eilen; aufgeregt kläffend, rannte ihr Luther von der anderen Seite entgegen.
Der silberfarbene Rolls kam von links auf sie zugerauscht. Der Mann am Lenkrad (ein Burschen-, doch kein Rattenschaftler) war mehr als leicht betütert, fuhr mit spiegelblank abgefahrenen Reifen und entbehrte völlig des selbst unter günstigeren Bedingungen zu einer Notbremsung erforderlichen fahrerischen Könnens. Es hätte eigentlich auf einen Unfall mit Todesfolge hinauslaufen müssen, doch George sah aus den Augenwinkeln den Wagen kommen. In diesem Moment spürte er eine gewaltige Empörung in sich aufwallen - und das gleiche Gefühl von Macht, das er vor der Straight verspürt hatte.
»Hm-hm«, sagte George, und eine Windhose schoß aus dem Nichts um die Frau und den Hund empor und hüllte sie und den verkehrssündigen Rolls in einen Trichter aus Eis und Schnee. Als sich das Gestöber wieder legte, standen Aurora und Luther, völlig unversehrt, immer noch an derselben Stelle, der Rolls aber lag knapp zehn Meter entfernt auf dem Dach, und der Fahrer blickte mit dem Kopf nach unten mehr als nur etwas verwundert drein.
Ein hübsches Kunststück, welches George allerdings seiner letzten Kräfte beraubte. Mit einem Lächeln brach er erneut zusammen, spürte noch, wie weiche Hände seinen Hinterkopf betasteten, und schlief dann in tiefer Dunkelheit, bis ihn die Ärzte der Gannett-Poliklinik wieder auftauten.
IV
»Gut«, sagte Mr. Sunshine und entspannte sich ein wenig. »Besser, jedenfalls. Wenn er mit sich selbst ebensogut klarkommt wie mit der Luft um sich herum, kommt es vielleicht doch noch zu einem anständigen Höhepunkt.«
Er stand auf und überließ die Geschichte für ein Weilchen sich selbst. Mr. Sunshine hatte sich entschieden: Dieses Manuskript würde jetzt anstelle des Absoluten Chaos auf seinem Schreibtisch bleiben. Doch zuerst mußte er etwas holen.
Pläne & Vorbereitungen
I
Das nächstbeste verfügbare Fahrzeug, ein Streifenwagen, brachte George zur Gannett hinauf. Obwohl er als bewußtloses menschliches Eis-am-Stiel eingeliefert wurde, stellten sie ihn im Handumdrehen soweit wieder her, daß er sich mit seinem behandelnden Arzt herumstreiten konnte. In New York City, wo George aufgewachsen war, wird ein Patient, sobald er wieder laufen kann, aus dem Krankenhaus entlassen - oft schon ein, zwei Stunden nach seiner Einlieferung; hier dagegen wollten sie ihn -trotz negativen Röntgenbefunds - zwecks weiterer Beobachtung über Nacht dabehalten. Das war freundlich, gewissenhaft und vermutlich auch das einzig Richtige seitens der Ärzte, doch so wie George aufgelegt war, kam es ihm schlicht idiotisch vor.
»Sie finden es also idiotisch, ja?« Der Arzt hielt den zerlumpten Mantel hoch, den George von dem Armen bekommen hatte. »Ist das alles, was Sie bei vier Grad unter Null getragen haben?«
Bei Neonlicht betrachtet sah der Mantel erbärmlich dünn aus, und George begriff den tieferen Sinn dieser Frage: Er war gegenwärtig absolut nicht in der Lage, über anderer Leute
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