Fool on the Hill
bohemische Verteidigungsminister damit, im Wohnheim niemanden vorzufinden. Nun traf es sich aber, daß die Königin der Grauen Vrouwen eine späte Abschlußklausur in Neurobio hatte schreiben müssen, und so standen sie und Löwenherz auf dem Rasen vor dem Gebäude und sattelten jetzt erst ihre Pferde zum Aufbruch.
»Ragnarök!« rief Myoko erfreut aus, als dieser auf seiner Maschine in Sicht kam.
In Erinnerung an einen gewissen Treppensturz schlug Löwenherz einen etwas zurückhaltenderen Ton an: »Aha, wieder da?«
»Ich mußte mir über ein paar Dinge klarwerden«, sagte Ragnarök, stellte den Motor ab und saß ab.
»Du mußtest dir wegen ein paar Dingen leid tun, meinst du wohl«, erwiderte Löwenherz. »Und das fast zwei Monate lang, wenn meine Rechnung stimmt. Hättest ja wenigstens ab und an ein Lebenszeichen von dir geben können.«
Ragnarök tat die Spitze mit einem Achselzucken ab. »Hätt ich, hab ich aber nicht. Ist außer euch noch jemand da?«
»Hm, wen könntest du wohl meinen?« sinnierte der bohemische König. »Der Top ist bereits vor Tagen abgereist. Bettelstab, Aphrodite und Woodstock sind auch weg; ich glaub, sie wollten sich Atlantic City ansehen. Und Fujiko bleibt bis Semesterbeginn im Tolkien-Haus. War’s das, was du wissen wolltest?«
»Hör auf«, warnte ihn Myoko. Zu Ragnarök sagte sie: »Prediger ist schon vor fast einer Woche in die Stadt gezogen. Er wird fast die ganzen Ferien über für einen Prof Haussitter spielen.«
»Wohnt Jinsei auch da?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
Ragnarök nickte. »Hast du eine Adresse oder Telefonnummer?«
»Nein«, sagte Myoko. »Tut mir wirklich leid. Wenn du nur ein paar Tage früher gekommen wärst...«
»Schon gut.« Er wandte sich wieder seiner Maschine zu. »Dann werd ich halt ein bißchen suchen müssen.«
Die Graue Königin hielt ihn am Arm fest. »Wart mal«, sagte sie. »Warum kommst du nicht statt dessen mit uns? Löwenherz und ich haben ein Chalet gemietet, ein Stück weiter den See hinauf, und wir fänden es toll, wenn du Weihnachten mit uns zusammen feiern würdest. Nicht wahr, Lö?«
»Das war ätzend hoch zwei«, sagte Löwenherz. »Verdammt, Rag, sie hat wahrscheinlich völlig recht. Selbst wenn du Prediger ausfindig machst, dürfte es wenigstens für ne Weile noch ein bißchen steif zwischen euch beiden zugehen. Zum Chalet sind’s nur fünfzehn Kilometer; du kommst mit und hast ein friedliches Fest, und Prediger hat ein friedliches Fest, und wenn du’s wirklich nicht länger aushältst, fährst du eben nach Neujahr wieder runter und suchst ihn dann.«
»Ich weiß nicht, ob ich noch so lange warten kann«, sagte Ragnarök ernsthaft. »Ich hab die ganze Zeit Alpträume gehabt...«
»Überrascht mich nicht«, sagte Myoko und strich ihm mütterlich übers Haar. »Was dir fehlt, ist ein ordentliches Glas von Löwenherzens Spezial-Eierlikör. Wirst sehen, wie du danach schläfst.«
»Nein. Nein, ich -«
»Schau, Rag«, unterbrach ihn Löwenherz. »Ich weiß nicht, ob J du den letzten Wetterbericht gehört hast, aber der King Kong der I Schneestürme ist in diesem Augenblick bereits im Anmarsch/ von Maine her. New Hampshire und Vermont versinken im Schnee, und Tompkins County ist laut Vorhersage in spätestens zwölf Stunden dran. Wir müssen uns wirklich ranhalten, denn wenn’s erst richtig klotzt, sind die Straßen im Handumdrehen zu. Alles klar? Schon heute abend macht’s nicht den geringsten Unterschied mehr aus, ob du in Ithaca bist oder nicht, denn wenn Prediger auch nur nen Funken Verstand hat, wird er die nächsten paar Tage keinen Fuß vor die Tür setzen.«
»Dann hab ich immerhin noch zwölf Stunden Zeit...«
»Sei doch nicht blöd!« rief Myoko aus. »Und wenn du ihn nicht findest, was dann? Du hast doch noch nicht mal Warmwasser, da, wo du wohnst, oder? Glaubst du denn, ich kann ein frohes Fest verbringen, wenn ich weiß, daß ein Freund von mir erfriert?«
Nach und nach machten sie ihn mürbe (Myokos Argumente waren die überzeugenderen, da sie nicht aufhörte, ihm dabei übers Haar zu streichen), und schließlich gab er nach. Wider besseres Wissen: Die bösen Träume der letzten Wochen hatten bei Ragnarök schlimme Vorahnungen hinterlassen.
»Nun mach dich doch nicht verrückt«, schimpfte Myoko mit ihm. »Ich versprech dir, du wirst Prediger noch früh genug wiedersehen.«
Womit sie strenggenommen natürlich vollkommen recht hatte.
II
George mietete für die Reise einen strahlend weißen
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