Fool on the Hill
die Treppe hinunter, so, als hege sie keinerlei Zweifel daran, daß ihr Opfer ihr nicht entkommen könne.
Das einzige, was für Jinsei außer Zweifel stand, war ihre Sterblichkeit. Mit langen Schritten humpelte sie an den Schaltern vorbei. Sie hatte Glück; als Prediger gegangen war, hatte sie vergessen, die Eingangstür wieder abzuschließen.
Prediger, o Prediger, ich -
Sie verscheuchte diesen Gedanken, drückte die Tür gewaltsam auf und stolperte hinaus. In ihrem Knöchel pochte es. Draußen schien der Wind vor Wut zu rasen, zerrte an ihren Kleidern, ließ ihr Haar in alle Richtungen flattern. Sie verschwendete keine Zeit damit, die Tür hinter sich abzuschließen, da sie wußte, daß dies ihren Verfolger nicht aufhalten würde.
Auf Anhieb war kein blaues Notruf licht zu sehen. Jinsei verlor auf den Stufen vor der Bibliothek das Gleichgewicht, fand es wieder und floh humpelnd in Richtung Arts Quad. Zu ihrer Rechten erhob sich eine Plastik, »Der Gesang der Vokale«. Erinnerungsblitz: Eine Novembernacht, kalt, aber nicht so kalt wie diese und ohne Schnee, sie und Prediger sitzen eng umschlungen auf dem Sockel dieser Plastik, wärmen sich gegenseitig. Sie waren gerade aus dem Kino gekommen...
Hör auf damit!
Da: auf der anderen Seite des Quads, zwischen der Goldwin Smith und der Lincoln Hall, so fern, fast unerreichbar fern, das Schimmern eines blauen Lichts. So schnell sie nur konnte, hastete Jinsei, diesen kalten Funken Hoffnung im Auge, diagonal über den großen Platz und zwang sich, nicht daran zu denken, wie ihre Chancen stehen mochten. Eine überschneite Eispfütze riß ihr, kaum daß sie drei Meter weit gekommen war, den Boden unter den Füßen weg.
Der Wind war so weit abgeflaut, daß sie das Knirschen von Lederstiefeln im Schnee hören konnte, das Flattern des weißen Lakens ... sie rappelte sich wieder auf und schrie jetzt, schrie, obwohl sie wußte, daß niemand sie hören würde: »HILFE! HÖRT MICH DENN NIEMAND? HILFE!«
Ihre Stimme hallte gedämpft und leblos von den Gebäuden am Quad wider. Die Statuen von Ezra und Andrew schwiegen reglos. Von dort kam keine Hilfe.
Jinsei stolperte noch ein paar Schritte weiter, ehe sie wieder hinfiel. Ein neuer Schmerz durchbohrte ihren Knöchel; sie hatte Angst, ihn sich diesmal gebrochen zu haben, und versuchte, sich trotzdem hochzustemmen. Plastikhände strichen sanft über ihre Schulterblätter.
Jinsei schrie mit aller Kraft. Sie schrie, als die Hände sich wie stählerne Zangen um ihre Oberarme schlössen, schrie, als sie sie herumdrehten, schrie, als sie der Gummimaid ins Gesicht blickte: blauer Tod die Augen, die Lippen zu einem Grinsen verzerrt.
Der Schrei verstummte abrupt, als die Hände der Puppe sich um ihren Hals legten.
XIII
Der Streifenwagen roch nach Erbrochenem. Beide Fenster waren trotz der Kälte heruntergekurbelt, aber das reichte Sam Doubleday noch nicht; er hatte sich eine Zigarre angesteckt, El Topo oder etwas ähnlich Stinkiges, um den Geruch zu übertönen. Nattie Hollister fand zwar, daß der Rauch die Sache nur noch schlimmer machte, doch sie schwieg und trug es mit Fassung, während sie den Wagen über die Thurston Avenue steuerte. Sie passierten Risley zu ihrer Rechten und folgten dann der Straße weiter nach Süden.
Sie kamen von einer Party, draußen auf der Triphammer Road, wo ein betrunkener Zeitgenosse es sich in den Kopf gesetzt hatte, auf einen Baum im Vorgarten zu klettern. Nach fünfzehnminütigen Verhandlungen war es ihnen gelungen, ihn wieder herunterzulocken, woraufhin er eine volle Magenladung Schnaps und halbverdaute Hamburger mit Fritten auf Doubledays Hose gekotzt hatte. Doubleday hatte den Betrunkenen verhaften wollen. Verdammt, er hätte ihn am liebsten besinnungslos geknüppelt, wenn es am Zustand des Straffälligen auch kaum etwas geändert hätte. Zuletzt hatte sich Hollisters kühlerer Kopf durchgesetzt; sie hatten dafür gesorgt, daß der Bursche ins Bett kam, und waren eilig abgezogen. Jetzt war eine weitere Meldung eingegangen: eine häusliche Auseinandersetzung auf der State Street, unten in Collegetown. Wetten, daß die uns um den Hals fallen werden, dachte Hollister, als der Streifenwagen über die East-Avenue-Brücke fuhr.
»Ich kapier einfach nich«, beschwerte sich Doubleday, »warum zum Teufel sich nich jemand anders um solchen Kram kümmern kann!«
»Viel los heut nacht«, erinnerte ihn Hollister. Rechts zog die Rand Hall an ihnen vorbei. »Die halbe Stadt ist besoffen.«
»Ach,
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