Fool on the Hill
und versuchte, das Gebäude zurückzuerobern. Der Angriff scheiterte; Pulaski wurde aus demselben Fenster, durch das er eingestiegen war, wieder hinausgeworfen. Daraufhin verschärfte die Campus-Polizei zwar ihre Sicherheitsvorkehrungen um das Gebäude, doch es kamen bald Gerüchte auf, daß Mitglieder der Rho Alpha und anderer weißer Verbindungen einen zweiten -und diesmal bewaffneten - Überfall planten. Die Drohung wurde nie wahrgemacht, doch die Schwarzen, die sich jetzt (wenn sie es überhaupt je getan hatten) nicht mehr auf die Polizei verlassen wollten, schafften in dieser Nacht Gewehre in die Straight, um sich gegebenenfalls selbst zu verteidigen. Auch wenn der Konflikt schließlich ohne Blutvergießen beigelegt werden konnte, erregten die Schußwaffen doch landesweit die Aufmerksamkeit der Medien und führten dazu, daß die Geschichte zu einem lokalen Mythos wurde. Auch wenn viele nicht mehr genau wußten, was sich damals eigentlich zugetragen hatte, war »die Straight-Besetzung« noch Jahre danach ein stehender Begriff auf dem Campus; ebensowenig geriet die Rolle, welche die Rho Alpha Tau dabei gespielt hatte, je ganz in Vergessenheit.
Die Erinnerung daran war zumindest in den ersten Jahren nach der Besetzung noch höchst lebendig. Als im April 1970 das neu eröffnete Africana Center in Flammen aufging, witterten viele Schwarze sofort Brandstiftung, und einer ging mit seinem Verdacht noch einen Schritt weiter. Ein paar Wochen nach dem Ereignis schlich sich Ray Avriel Stanner (Abschlußklasse ‘72) in einer mondlosen Nacht, mit einer Leiter und einem Farbeimer bewaffnet, zum Rho-Alpha-Haus und versah das »P« über der Eingangstür still und leise mit einem zweiten Bein. Diese simple Tat sollte - wie seinerzeit der Überfall des Rho-Alpha-Kommandos auf die Straight Hall - den Gang der Geschichte verändern.
Stanner war noch nicht wieder unten, als ihn zwei Korpsbrüder entdeckten. Sie schlugen Alarm; Stanner ließ seinen Eimer fallen und machte sich, von einer wütenden Menge verfolgt, schleunigst aus dem Staub. Ein forscher junger Polizist namens Samuel Doubleday, der im richtigen Augenblick auf der Thurston Avenue auftauchte, rettete ihm das Leben. Doubleday, ein Weißer ohne höhere Schulbildung, war sich zwar nicht so recht klar, was er von Schwarzen halten sollte, eines wußte er allerdings genau: Er hatte es nicht gern, wenn jemand auf seiner Runde gelyncht wurde. Kein Freund von langen Reden, feuerte er so viele Schüsse in die Luft, wie sein Revolver hergab, und überzeugte die erzürnten Brüder davon, ihre Jagd aufzugeben. Stanner wurde später der Sachbeschädigung angeklagt, doch er schloß sein Studium mit Auszeichnung ab, und die Rho Alpha Tau hieß fortan »die Rattenschaft«. Der Spitzname geriet auch späterhin nicht in Vergessenheit, denn die Verbindung erwies sich stets als seiner würdig.
Und so geschah es, daß zwei Jahre vor dem Abschluß des Bündnisses zwischen Tolkienia und Bohemia eine ziemlich angetrunkene Graue Vrouwe namens Pearl mitten in der Nacht auf einer Rho-Alpha-Tau-Party landete. Sie merkte gar nicht, wohin es sie verschlagen hatte; in dieser Nacht war sie bereits in einem Dutzend verschiedener Verbindungshäuser gewesen, wo sie auf ebenso vielen verschiedenen Feten nach einem Sigma-Alpha-Epsilon-Mann namens Jim Richland Ausschau gehalten hatte. Statt dessen geriet sie an Jack Baron, Patrick Barons zweiten Sohn, der sie zur Hausbar führte, ihr mit geübtem Charme drei Spezialdrinks Marke Kamikaze einflößte und sie vollends betrunken machte. Als Pearl am anderen Morgen auf dem rückwärtigen Rasen der Rho Alphas mit einem lähmenden Kater wieder zu sich kam, wußte sie nicht mehr, welche oder wie viele Korpsbrüder in der Nacht bei ihr gewesen waren - doch die wenigen Erinnerungen, die sie noch hatte, waren mehr, als sie ertragen konnte.
Zwei Wochen später verließ Pearl Bohemia und eine Woche darauf die Universität; Jim Richland, der später den Namen Bettelstab annehmen sollte, machte sich auf die Suche nach Jack Baron und handelte sich ein blaues Auge ein; der Rat der Cornellschen Verbindungen versuchte Licht in die Ereignisse auf der Party zu bringen, konnte aber keine Zeugen auftreiben und mußte die Untersuchung einstellen; und Löwenherz, rasend vor Wut über die Hilflosigkeit der Kommission, schwor Jack Baron und der ganzen Rattenschaft ewige Rache. Zwei Jahre lang hatte der bohemische König auf den Sturz der Verbindung hingearbeitet; dennoch erfolgte
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