Fool on the Hill
er schließlich gänzlich ohne sein Zutun. Am selben Tag, als er im Garten Lothlorien auf Shen Hans, Noldorins und Lucius’ Gesundheit anstieß, begann der Untergang der Rho Alpha Tau. Die Weichen dazu stellte nicht Löwenherz, sondern Ragnarök, und ironischerweise geschah dies ausgerechnet auf der Treppe vor der Willard Straight Hall, kurz vor Mitternacht.
Jinsei und der Schwarze Ritter
I
Der Abend senkte sich über diesen hügeligen Teil der Welt, doch noch höheren Orts, in Mr. Sunshines Bibliothek, blieb es so hell und samstagnachmittäglich wie stets. Die Brise duftete noch immer lieblich nach Lorbeer; das Blöken des Hornviehs und die fernen Klänge einer Lyra untermalten weiterhin das Geklapper der Schreibmaschinen.
Der Geschichtenerzähler hatte wieder einmal einen Affen von seinem Platz vertrieben und sich selbst an die Schreibmaschine für ›Fool on the Hill‹ gesetzt. Kalliope und George waren zusammen; sie hatte die Sache fest in der Hand. Jetzt war es an der Zeit, die Geschichte um eine zusätzliche Handlungsebene zu erweitern, eine andere Gestalt deutlicher herauszuarbeiten.
Mr. Sunshine tippte:
STELL RAGNARöK GEGEN JACK BARON AUF.
Nachdem er das geschrieben hatte, hielt er kurz inne und fügte dann hinzu:
RAGNARöKS PRüFUNG IST NICHT GEORGES PRüFUNG .
Er schüttelte sofort den Kopf ob dieser Redundanz. Selbstredend unterschieden sich ihre Prüfungen voneinander. Kein Grund, viele Worte zu machen - William Strunk, E.B. White und der chinesische Kaiser Shih Huang Ti waren diesbezüglich einer Meinung gewesen.
»Ich werde anscheinend alt«, sagte Mr. Sunshine zum Affen. Das Tier hatte darauf nichts zu erwidern.
Selbstredend unterschieden sich ihre Prüfungen; sie waren ja auch sehr unterschiedliche Charaktere. Doch ebenso wie jedes klassische Heldenepos einen Heiligen braucht, einen durch und durch reinen Kämpen und periodisch naiven romantischen Liebhaber, kommt es doch nicht ohne die andere, zwielichtigere Sorte Held aus: den Schwarzen Ritter.
II
Der EDV-Mann hieß Lenny Chiu und war einschließlich seiner schwarzen Schuhe knapp eins fünfzig groß. Er trug keinen Smoking - Jinsei hatte ihn zu einer weniger förmlichen und etwas bequemeren Kluft überredet -, doch sein Auftreten war königlich, wie das eines Prinzen auf dem Weg zum Hofball. Es war ihm nicht zu verdenken, daß er sich als etwas Besonderes fühlte, denn Jinsei hatte ihn aus einem Meer scheinbar geklönter Maschinenbaustudenten mit identischen stahlgeränderten Brillen, unauffälligen Hemden und programmierbaren Mehrfunktions-Taschenrechnern herausgefischt. Man konnte nicht behaupten, daß sie miteinander gingen; sie gingen nur miteinander aus. Doch wenn Jinsei auch nicht allzu viele Gedanken an eine eventuelle gemeinsame Zukunft verschwendete, Lenny tat es durchaus, und dies verlieh seinem Schritt einen zusätzlichen, optimistischen Schwung.
Jinsei (sie trug einen schlichten blütenweißen Overall, auf dem das Mondlicht schimmerte) hatte nichts anderes im Sinn, als sich zu amüsieren. Bereits ab der ersten Woche, als Ginny Porterhouse sie auf dem Campus herumgeführt und sie unter anderem mit Ragnarök und Prediger bekannt gemacht hatte, war sie in Arbeit schier versunken. Heute abend war ihre erste Gelegenheit, wirklich auszuspannen und sich ein paar schöne Stunden zu gönnen, und sie wollte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wie sie so Hand in Hand gingen und der Wind ihr das Haar zerstrubelte, fühlte auch sie sich etwas aus der Menge herausgehoben, hoheitsvoll - wenngleich »Prinzessin« nicht direkt der Titel war, den sie für sich ausgesucht hätte. Hofdame, vielleicht.
Der königliche Ball, den sie und Lenny mit ihrer Anwesenheit zu beehren gedachten, war der halbjährliche Tanzabend der Vereinigten Asiaten und Amerikaner in Cornell (vaac), der um halb elf begonnen hatte und mittlerweile voll im Gang war. Der Gedächtnissaal der Willard Straight Hall dröhnte. Es spielten die Kung-fu Fighters - eine starke Gruppe, wenn auch nicht mit Benny Profane zu vergleichen - vor einem begeisterten Publikum aus Chinesen, Japanern, Koreanern, Thailändern und Nahostlern in gebügelten Smokings und langen Baumwollkleidern. Natürlich waren auch die Bohemier mit den Grauen Vrouwen da und bemühten sich um einen möglichst glanzvollen Auftritt. Löwenherz und Myoko beherrschten gelassen die Tanzfläche; Z. Z. Top bewarf die Band mit Toast; Prediger erörterte mit einer taiwanesischen
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