Fool: Roman (German Edition)
du solltest heute Nacht auf dem steinernen Boden schlafen. Der Teppich verhindert nur die Kühlung deiner Fieberphantasien, die Gott so sehr verabscheut. Ja, ein paar leichte Schläge und der nackte Stein heute Nacht für dich und deinen Aberwitz.«
»Jawohl, Mutter.«
»Du darfst also mit der Eremitin niemals über ihre Vergangenheit sprechen. Wenn du es doch tust, wirst du exkommuniziert und bis in alle Ewigkeit verflucht sein, ohne Hoffnung auf Erlösung, das Licht des Herrn soll nie mehr auf dich fallen, und du sollst für immer und ewig in Finsternis leben. Und außerdem werde ich dafür sorgen, dass dich Schwester Bambi an die Katze verfüttert.«
»Jawohl, Mutter«, sagte ich. Ich war so aufgeregt, dass ich mir fast in die Hosen machte. Ich sollte jeden Tag, den Gott werden ließ, mit der Herrlichkeit der Eremitin gesegnet sein.
»Na, wenn das kein schuppiger Haufen Schlangenwichse ist«, sagte die Eremitin.
»Nein, Herrin, die Katze ist nur echt scheißgroß.«
»Nicht das Katzenvieh... die eine Stunde täglich! Nur eine Stunde?«
»Mutter Basil möchte nicht, dass ich Eure Kommunion mit Gott störe, Frau Eremitin.« Ich verbeugte mich vor der dunklen Schießscharte.
»Nenn mich Thalia.«
»Das würde ich nie wagen, Herrin. Und ich darf Euch auch nicht nach Eurer Vergangenheit fragen oder woher Ihr kommt. Mutter Basil hat es mir verboten.«
»Da hat sie ganz recht, aber du darfst mich Thalia nennen, weil wir Freunde sind.«
»Aye, Herrin. Thalia.«
»Aber von deiner Vergangenheit darfst du mir ruhig erzählen, guter Pocket. Erzähl mir von deinem Leben!«
»Aber ich kenne nur Dog Snogging... Mehr habe ich noch nicht gesehen.«
Ich konnte sie im Dunkeln lachen hören. »Dann erzähl mir eine Geschichte aus deinem Unterricht, Pocket.«
Also erzählte ich der Eremitin von der Steinigung des Heiligen Stefan, der Verfolgung des Heiligen Sebastian und der Enthauptung des Heiligen Valentin, und sie erzählte mir im Gegenzug von Heiligen, von denen ich im Katechismus noch nie gelesen hatte.
»Und das«, sagte Thalia, »ist die Geschichte davon, wie der Heilige Rufus von Murmeltieren zu Tode geleckt wurde.«
»Das klingt nach einem schrecklichen Martyrium«, sagte ich.
»Aye«, sagte die Eremitin. »Murmeltierspucke ist die giftigste aller Substanzen, und deshalb ist Sankt Rufus auch bis zum heutigen Tag der Schutzheilige des Speichels und des Mundgeruchs. Doch genug von Märtyrern, erzähle mir von Wunderdingen.«
Und das tat ich. Ich erzählte vom immervollen Milchkübel der Heiligen Brigid von Kildare, davon, wie der Heilige Fillan, nachdem sein Ochse von einem Wolf gerissen worden war, es geschafft hatte, ebenjenen Wolf vor einen Karren mit Steinen für den Bau einer Kirche zu spannen, und wie der Heilige Patrick die Schlangen aus Irland vertrieb.
»Aye«, sagte Thalia. »Dafür sind ihm die Schlangen noch heute dankbar. Doch lass mich dir von dem Wunder erzählen, wie der Heilige Cinnamon die Mazdas aus Swinden vertrieb.«
»Vom Heiligen Cinnamon habe ich noch nie gehört«, sagte ich.
»Nun, das liegt daran, dass die Nonnen von Dog Snogging leicht beschränkt sind und von so was nichts verstehen. Deshalb solltest du ihnen auch niemals anvertrauen, was du hier von mir erfährst, damit die Erkenntnis sie nicht überwältigt und sie der Schlag trifft.«
»Aus Überfrömmigkeit?«
»Aye, mein Junge. Und du wärst für ihren Tod verantwortlich.«
»Aber das würde ich nie wollen.«
»Natürlich nicht. Wusstest du, dass die Heiligen in Spanien kanonisiert werden, indem man sie in eine Kanone steckt und abschießt?«
Und so ging es tagein, tagaus. Woche für Woche tauschte ich mit Thalia Lügen und Geheimnisse. Man mag sie grausam schimpfen, weil ihr einziger Kontakt mit der Außenwelt darin bestand, einem kleinen Jungen Märchen aufzutischen, aber andererseits ging es in der ersten Geschichte, die mir Mutter Basil erzählte, um eine sprechende Schlange, die nackten Leuten verdorbenes Obst anbot, und trotzdem hatte der Bischof sie zur Äbtissin ernannt. Und im Zuge dessen lehrte mich Thalia die Kunst der Unterhaltung. Einen gemeinsamen Augenblick mit Geschichten und Heiterkeit zu verbringen, einem Menschen nah zu sein, auch wenn man durch eine Mauer von ihm getrennt ist.
Während der ersten zwei Jahre kam einmal im Monat der Bischof aus York, um nach der Eremitin zu sehen, und für einen Tag schien sie allen Mut zu verlieren, als schöpfte er ihn ab und nähme ihn mit, aber sie
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