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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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in wunderschöner Kalligrafie hochhielten: » freie-kunst-fabrik – unfair !« , » wir wollen löhne !« , » boss siu ist korrupt !« Die Schilder waren mit kunstvollen Schnörkeln verziert, und er sah, dass weiter hinten ein paar Maler eifrig immer neue fertigstellten. Ein weiteres Schild wurde hochgerissen: » denkt an die 42 !« Dann sah er noch eins, auf dem einfach nur » IWWWW « in den komischen Buchstaben des Westens stand, und Matthew fühlte sich mit einem Mal wie beflügelt.
    »Wer sind die Zweiundvierzig?«, fragte er eine Malerin, eine hübsche junge Frau mit ein paar auffälligen Leberflecken im Gesicht. Sie schob sich das Haar hinter die Ohren zurück. »Das war vor drei Stunden«, erklärte sie, schaute auf ihr Handy und verbesserte sich. »Vor vier.« Sie schüttelte den Kopf und zeigte ihm ein paar Fotos. »Die Polizei hat zweiundvierzig Jungen im kantonesischen Viertel einfach hingerichtet. Sie behaupten, es seien Kriminelle gewesen, aber ihre Nachbarn sagen, dass es sich bloß um Goldfarmer gehandelt hat.«
    Auf den Bildern sah er seine Freunde, die Köpfe mit Kapuzen verhüllt, ausgestreckt am Boden liegen und sich unter den Schüssen der Polizei winden. Hingerichtet von Männern, die wegen ihrer Helme gesichtslos waren.
    Als der jungen Malerin seine entsetzte Miene auffiel, nickte sie. »Schrecklich, nicht? Einfach schrecklich. Und was die Fünfzig-Cent-Armee darüber schreibt … «
    Die Fünfzig-Cent-Armee, das waren die Heerscharen der Blogger, die für fünfzig Cent – 4 Yuan – patriotische Kommentare und Regierungslob im Internet verbreiteten.
    Er setzte sich auf den schmutzigen Bordstein, das Handy des Mädchens in der Hand. Sie hockte sich neben ihn. »Hey, alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sie sich besorgt.
    Erst nickte er automatisch, dann schüttelte er den Kopf. Denn es ging ihm nicht gut. Gar nichts war gut. »Nein«, murmelte er.
    Das Mädchen schaute kurz auf ihr Schild. Dann griff sie nach seinem Kinn und hob sein Gesicht an. »Bist du verletzt?«
    »Nicht verletzt, aber … « Er schüttelte den Kopf. Zeigte auf ihr Handy. Dann nahm er sein eigenes und zeigte ihr die Fotos, die er zitternd vom Dach aus geschossen hatte.
    »Sind das dieselben?« Sie sah genauer hin. »Nein, das sind andere Bilder … Wo hast du die her?«
    »Hab ich selbst gemacht«, erwiderte er mit rauer Stimme. »Das waren meine Freunde.«
    Sie zuckte zusammen wie von einem elektrischen Schlag, dann biss sie sich auf die Lippen und sah die Bilder durch. Ein schwacher Terpentingeruch umwehte sie, und ihre Finger waren lang und zierlich. Ein wenig erinnerte sie Matthew an eine Elfin.
    »Du warst dabei?« Es war nur halb eine Frage, aber er nickte trotzdem. »Oh nein.« Sie gab ihm das Handy zurück und umarmte ihn wie eine große Schwester. »Du Armer. Wir haben vor einer Stunde davon gehört, bei Arbeitsbeginn. Wir wollten uns darüber unterhalten und haben die Leinwände verlassen. Unser Chef, Boss Siu, wollte aber, dass wir an die Arbeit gehen. Wir versuchten es ihm zu erklären, aber er ließ uns nicht mal ausreden. Er hört uns nie zu. Es ist genau, wie Jiandi im Radio sagt – er bestimmt, wann wir aufs Klo dürfen und kürzt uns den Lohn, wenn wir reden, manchmal sogar, wenn wir einfach nur zu lange irgendwo hinsehen. Und als er dann ankündigte, er werde uns allen den Lohn kürzen, stand eine von uns auf und rief eine Parole, so was wie ›Boss Siu ist unfair!‹, und obwohl es irgendwie komisch war, war es doch auch richtig … Es kam einfach von Herzen, also sind wir alle aufgestanden und … « Sie deutete auf die Streikenden.
    Matthew dachte an den Tag, als sie sich gegen Boss Wing aufgelehnt hatten. Eine Million Jahre schien das nun her zu sein. Er erinnerte sich, wie die Polizei gekommen war und sie verhaftet hatte. Und daran, dass er sich geschworen hatte, nie wieder ins Arbeitslager zu gehen. Doch dann nahm er das Schild, das sie gemalt hatte, und schloss sich den Streikenden an. Er war nicht der Einzige. Er schrie die Parolen, und seine Stimme klang nicht mehr heiser, sondern laut und deutlich.
    Und als die Polizei schließlich eintraf, geschah das Unglaubliche: Die vielen Zuschauer, all die anderen Maler und Arbeiter, schlossen sich ihnen an und griffen ihre Rufe auf. Sie hielten ihre Handys hoch und fotografierten die vorrückenden Polizisten mit ihren Helmen und Schilden und Schlagstöcken.
    Sie wichen nicht zurück.
    Dann warf die Polizei Kanister mit Tränengas in die

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