For the Win - Roman
keiner zögerte.
Banerjee schluckte hörbar. Einer der Nachbarn in den Fenstern ringsum kicherte. Banerjee verschoss wütende Blicke. »Solche Häuser brennen ständig ab in den Slums!«, rief er, doch seine Stimme zitterte. Der Nachbar, der gekichert hatte – ein Mann mit nacktem Oberkörper, dessen Brust noch Brandspuren von einem alten Unfall trug – , schloss die Läden. Einen Moment später trat er auf die Straße hinaus. Er ging auf Banerjee zu, schaute ihm in die Augen und setzte sich dann demonstrativ im Schneidersitz vor ihn hin. Banerjee hob das Bein, als wollte er zutreten, doch ein Knurren lief durch die Menge, ein tiefer, kehliger Klang, bei dem sich Mala die Nackenhaare aufstellten, dabei knurrte sie selbst. Es klang, als wäre ganz Dharavi ein wilder Hund, der an seiner Leine zerrte und sich auf die Beute stürzen wollte.
Immer mehr Anwohner strömten aus ihren Häusern – Junge wie Alte, Männer und Frauen. Sie alle hatten Mrs. Dotta viele Jahre gekannt. Sie hatten erlebt, wie man ihr das Café weggenommen und sie fortgejagt hatte. Und auch sie setzten sich hin.
Mr. Banerjee schaute Mala an und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, dann hielt er inne. Sie erwiderte seinen Blick mit aller Ruhe und lächelte dann breit. »Buh«, sagte sie leise, und er machte einen Satz zurück.
Da mussten seine eigenen Männer über ihn lachen, und im trüben Licht der Straße war zu sehen, dass sein Gesicht knallrot angelaufen war. Mala verbiss sich ein Grinsen. Banerjee sah zum Schreien aus!
So würdevoll wie möglich wandte er sich an seine Männer, die so angespannt waren, dass sie beinahe zu zittern schienen. Bestürzt musste Mala mit ansehen, wie er sich wahllos einen von ihnen herauspickte und ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug, sodass man es über die ganze Straße hinweg hörte. Es war die dümmste Zurschaustellung plumper Macht, die sie je gesehen hatte, so abgrundtief dämlich, dass man sie hinter Glas stellen und zu Lehrzwecken verwenden sollte.
Der Mann schaute Banerjee einen Moment einfach nur an. Wut stand in seinen Augen, und er hatte die Fäuste geballt. Er war kleiner als Banerjee, hatte aber eine Holzlatte dabei, und seine Armmuskeln zuckten und wanden sich wie ein Korb voll Schlangen. Ruhig spuckte der Mann Banerjee einen üblen Schwall rosa Betelspucke ins Gesicht. Dann wandte er sich von ihm ab und suchte sich vorsichtig einen Weg durch die sitzenden Webblys, Arbeiter und Anwohner. Kurz darauf folgte auch der Rest von Banerjees Mob.
Banerjee war allein. Der Speichel rann ihm übers Gesicht. Mala dachte: Wenn er jetzt eine Waffe zieht und anfängt herumzuballern, würde mich das nicht im Mindesten überraschen. Er war völlig am Boden zerstört. Man hatte ihn vor Kindern und den Ärmsten der Armen erniedrigt, und das Blitzen so vieler Fotoaufnahmen erhellte das Dunkel, dass man sich wie in einer Disco vorkam.
Vielleicht hatte Banerjee aber gar keine Waffe dabei, vielleicht verfügte er auch über mehr Selbstbeherrschung, als Mala geglaubt hatte. Wie auch immer, er drehte sich um und ging weg. An der nächsten Ecke blieb er noch einmal stehen und sagte so laut, dass man es noch über das aufgeregte Gemurmel hinweg hören konnte: »Ich weiß, wo deine Familie wohnt, Mala.« Dann verschwand er in der Nacht.
Jubelschreie brachen aus, als er verschwand. Ashok half Mala wieder auf und hielt ihre Hand etwas länger, als unbedingt nötig gewesen wäre. Sie wollte ihm in die Arme fallen, umarmte stattdessen aber Yasmin, die Freudentränen weinte, so wie sie sie vor langer Zeit einmal geteilt hatten. Yasmin war dünn wie ein Blatt, ihre Arme aber kräftig, und es tat gut, so gut, einen Moment lang gehalten zu werden, statt immer die anderen halten zu müssen.
Schließlich ließ sie Yasmin los. »Sie sind also gekommen«, sagte sie zu Ashok. Statt einer Antwort führte er sie zu den beiden kleinen alten Frauen und einem bärtigen Mann mit einer Mütze. »Mr. Phadkar, Mrs. Rukmini und Mrs. Muthappa«, stellte er sie vor. »Das ist Mala. Man nennt sie General Robotwallah. Ihre Arbeiter haben die Streikenden beschützt. Sie sind unbesiegbar – solange sie einen Arbeitsplatz haben.«
»Ihr werdet immer einen Arbeitsplatz haben«, sagte Mr. Phadkar entschlossen und nicht nur an Mala, sondern an alle gerichtet. Schon breiteten sich die ersten Legenden über diesen historischen Moment aus.
Die beiden Alten schauten sich an und verdrehten die Augen, und auch Mala musste lächeln. Die
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