For the Win - Roman
blieben lange auf, wenn sie arbeiteten, und waren froh, ihn dabeizuhaben.
Wei-Dong hieß in Wahrheit natürlich Leonard Goldberg. Er hatte sich Wei-Dong genannt, nachdem er sich ein wenig mit der Bedeutung chinesischer Namen vertraut gemacht hatte und dabei auf »Stärke des Ostens« gestoßen war. Der Klang hatte ihm gefallen. Die Chinesen, die er kannte, hatten es nicht anders gemacht. Als die Eltern in die Staaten immigriert waren, hatten sie sich einfach einen englischen Namen zugelegt. Und wieso auch nicht? Es war doch allemal besser, einen Namen zu haben, dessen Klang einem gefiel, als einen Namen nur deshalb beizubehalten, weil schon der Großvater ihn getragen hatte, oder nicht?
Er hatte das seinen Eltern zu erklären versucht, aber es hatte sie nicht sonderlich beeindruckt. Dass er sich für fremde Kulturen interessierte, war ja okay, aber das hieß noch lange nicht, dass er seine Bar-Mizwa vergessen durfte oder dass sie ihn von nun an Wei-Dong nennen würden. Und auf ihr Einverständnis damit, dass er sich die Nächte mit seinen chinesischen Freunden um die Ohren schlug, konnte er lange warten.
Wei-Dong war klar, dass man ihn für einen ziemlichen Loser halten konnte: für einen Außenseiter, der so verzweifelt nach Freunden suchte, dass er die Highschool einfach abschrieb und sich stattdessen an Leute auf der anderen Seite der Welt ranschmiss. So war das aber gar nicht: Wei-Dong hatte genügend Freunde an der Ronald-Reagan-Highschool. Viele von ihnen hielten China für den interessantesten Ort auf der ganzen Welt; sie mochten die Filme und das Essen und die Comics und die Spiele. Es gab auch viele Chinesen an ihrer Schule. Sicher, einige davon fanden ihn ein bisschen seltsam, doch die Mehrheit akzeptierte ihn. Schließlich standen die meisten von ihnen genauso auf Indien wie er auf China, solche Vorlieben hatten sie also miteinander gemein.
Und was war schon dabei, wenn er mal eine Stunde schwänzte? Es war Sozialkunde, Herr im Himmel, es ging um China , und Wei-Dong wusste zehn Mal mehr darüber als sein Lehrer. Eigentlich ist das Spielen doch fast schon ein freiwilliges Schulprojekt. Es sollte Extrapunkte dafür geben, dachte er, während er auf Mandarin in sein Headset flüsterte.
»Und jetzt?«, fragte er. »Wie lautet die Mission?«
»Wir hatten überlegt, noch ein paar mal den Walrossgarten durchzuspielen, solange wir ihn noch im Kopf haben. Vielleicht kriegen wir noch eine Vorpal Blade.« Das war, was die Jungs so taten, wenn sie gerade keinen zahlenden Gweilo bei der Hand hatten: Sie sammelten Prestige-Items. Es war nicht das Spannendste auf der Welt, aber man konnte nie wissen, wozu man sie brauchen würde.
»Bin dabei«, sagte er. Er hatte eine Freistunde im Anschluss, danach war Mittagspause, also konnte er theoretisch drei Stunden lang durchspielen. Bis dahin würden die anderen sich wahrscheinlich ohnehin abmelden und schlafen gehen.
»DubisteinguterGweilo,dasweißtdudoch,oder?«Wei-Dongwusste,dassPingnurWitzeriss.Esmachteihmnichtsaus,wenndieJungsihnsonannten.Eswarkeineswegsrassistischgemeint,nichtsowie»Schlitzauge«.FastschonwareseinFreundschaftsbeweis.UndwennschoneinSpitzname,war»DämonausdemAusland«eigentlichganzcool.
Also gingen sie wieder in den Garten, und es lief ziemlich gut. Dann zahlten sie das Gold in die Gildenbank ein und ritten zurück, um noch mehr zu holen. Und noch mal. Irgendwann dazwischen klingelte es. Irgendwann dazwischen kamen ein paar Freunde vorbei und sagten irgendwas, und er stellte sein Headset leise und antwortete ihnen, aber er wusste schon nicht mehr, was. Irgendwas.
Dann, im dritten Durchlauf, passierte es. Sie waren schon wieder am Ufer und hatten gerade ihre Reittiere weggeschickt. Während der vorigen Raids hatte Wei-Dong sich einen Vorrat an Austernschalen zugelegt; jetzt bereitete er den Lufttaschen-Zauber vor.
Da stiegen auf einen Schlag ein Dutzend Ritter auf furchterregenden schwarzen Rossen aus dem Meer auf. Der wütende Chor ihrer Kampfschreie zerriss die Stille, Wasser spritzte hoch, und schon fielen sie über Wei-Dong und seine Freunde her.
Er rief eine Warnung in sein Headset. Im Rechenzentrum hielten die Schüler ringsum inne und starrten ihn an, denn er hämmerte wie ein Derwisch auf die Tastatur und klickte wie ein Wahnsinniger mit der Maus, die Augen auf den Schirm gerichtet.
Die schwarzen Reiter bewegten sich im Gleichtakt und mit unheimlicher Präzision. Entweder waren sie Monster – Gegner, wie Wei-Dong sie noch nie gesehen
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