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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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hatten, als sie genug gesagt hatte, schauten sie bloß an und fragten: Was sollen wir jetzt tun?
    Sie wusste keine Antwort darauf und schaffte es gerade noch, die Tränen zurückzuhalten, bis sie nach Hause kam. Dort weinte sie sich aus, und ihre Eltern – die schon die ganze Zeit über nichts als Zweifel und Ermahnungen für sie übriggehabt hatten – machten ihr Vorhaltungen, gaben ihr die Schuld daran, dass ihre Freundinnen nun ohne Arbeit waren.
    Die ganze Nacht fühlte sie sich hundeelend. In den frühen Morgenstunden wurde sie vom leisen Klingeln ihres Handys wach.
    Ich bin draußen. Es war Affendi, die Gewerkschafterin, mit der sie sich am besten verstanden hatte. Komm zur Tür.
    Sie schlich auf Zehenspitzen nach draußen und hatte Affendis Schatten kaum entdeckt, als sie auch schon in Nors Armen zusammenbrach. Affendi war blutüberströmt. Die Augen waren geschwollen, zwei ihrer Finger gebrochen, die Lippen geplatzt, und sie hatte einen Zahn eingebüßt. Dennoch gelang es ihr, sich ein Lächeln abzuringen. »Gehört alles zum Job«, flüsterte sie.
    Das billige Hotelzimmer, das sich die vier Organisatorinnen des Streiks genommen hatten, war kurz nach dem Abendessen von der Polizei gestürmt worden. Man hatte sie abgeführt. Sie waren darauf vorbereitet gewesen, hatten sogar Anwälte, doch man gab ihnen keine Gelegenheit, sie anzurufen. Man warf sie auch nicht ins Gefängnis. Stattdessen brachte man sie in eine Wellblechsiedlung hinter dem Hauptbahnhof. Dort spielten drei Polizisten Aufpasser, während private Sicherheitskräfte der Fabrik sie mit Knüppeln, Fäusten und Stiefeln traktierten, sie beleidigten, Huren nannten, ihre Kleider zerfetzten und sie auf Brüste und Hüfte schlugen.
    Erst als eine der Frauen das Bewusstsein verlor, ließen sie von ihnen ab. Sie blutete aus einer Kopfverletzung, ihre Augenlider flatterten. Schließlich flüchteten die Männer, doch vorher nahmen sie den Frauen noch ihr Geld und ihre Papiere ab. Dann ließen sie sie in Tränen zurück. Affendi war es gelungen, ihr Ersatzhandy – ein winziges Ding, nicht größer als eine Streichholzschachtel – im Gummibund ihrer Unterhose zu verstecken, und so konnte sie Hilfe vom Hauptquartier der Gewerkschaft rufen. Sobald der Krankenwagen auf dem Weg war, hatte sie sich auf den Weg zu Nor gemacht.
    »Zu dir werden sie wahrscheinlich auch kommen«, sagte sie. »Sie versuchen meistens, ein Exempel an denen zu statuieren, die mit dem Ärger angefangen haben.«
    »Aber ihr habt doch gesagt, sie würden aufgeben, wegen ihrer Aktionäre … «
    Affendi hob die zerschundene Hand. »Das dachte ich ja auch. Sie haben sich aber entschieden zu gehen. Wahrscheinlich sind sie nach Indonesien. Die neuen Gesetze dort machen es den Arbeitern viel schwerer, sich zu organisieren. So läuft es manchmal eben.« Sie zuckte die Schultern, fuhr vor Schmerz zusammen und sog scharf die Luft ein. »Wir dachten, sie würden hierbleiben wollen. Die Regierung hat ihnen einen Haufen Geschenke gemacht – Steuervergünstigungen, neue Straßen, fünf Jahre kostenlosen Strom. In Indonesien gibt es aber neue Sonderwirtschaftszonen, die sogar noch mehr zu bieten haben.« Sie krümmte sich erneut zusammen. »Vielleicht passiert dir ja auch nichts. Vielleicht lassen sie es einfach dabei bewenden. Aber ich fand, du solltest die Chance kriegen, mit uns an einen sicheren Ort zu gehen – sofern du das willst.«
    Nor schüttelte den Kopf. »Was für ein Ort soll das sein?«
    »Die Gewerkschaft hat ein sicheres Versteck in der Nachbarprovinz. Wir können dich heute Nacht hinbringen. Wir können dir auch helfen, einen Job zu finden und wieder auf die Beine zu kommen. Und du kannst uns helfen, eine neue Fabrik für die Gewerkschaft zu gewinnen.«
    Mittlerweile fiel leichter Regen. Er prasselte auf die Palmen, die Nors Straße säumten, und tränkte mit dicken Tropfen den Boden, der einen erdigen Geruch verströmte. Einer der Tropfen löste sich ungesehen von einem Blatt über Nor und platschte ihr auf den Rücken. Da fiel ihr auf, dass sie das Haus ohne ihren Hidschab verlassen hatte, was sie fast nie tat. Es kam ihr fast wie ein Omen vor, als ob jeder Aspekt ihres Lebens sich änderte.
    »Wohin gehen wir?«
    »Das wirst du merken, wenn es so weit ist. Ich weiß es selbst nicht. Deshalb ist es ja ein Versteck – niemand weiß davon, wenn es nicht unbedingt sein muss. Es sind schon Gewerkschaftsführer ermordet worden, weißt du.«
    Wieso hast du mir das alles nicht gleich

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