Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
jede Schildkröte, jede Bombe, jede Wurfaxt traf mit absoluter Perfektion.
    Fast schien es so, als wären sie …
    Cheater!
    Das musste es sein. Sie benutzten verbotene Add-ons, die das Spiel eigentlich hätte erkennen und deaktivieren müssen. Irgendwie war es ihnen offenbar gelungen, die Sicherungen zu umgehen. Nor wusste zwar nicht, wie, aber das war auch egal: Goldfarmer hatten immer die schlechteren Karten.
    »Rückzug!«, rief sie. »Sofort!« Sie mussten diese Schlacht in einen Guerilla-Krieg verwandeln, in einen Dschungelkampf, und ihren Gegnern aus dem Dickicht heraus auflauern, so wie sie es zuvor getan hatten: den Feind auf die Lichtung locken, vor den Eingang des Dungeons, während sie sich in die Pilzwälder stahlen und den Gegner umzingelten. Vielleicht würde die überlegene Koordination der Webblys die Stärke und Hacks der Pinkertons ausstechen. Auf dem Headset hörte sie den angespannten Atem, die Flüche in sechs verschiedenen Sprachen, das Gelächter und Geschrei der Spieler, die auf der ganzen Welt auf ihren Befehl hin in all den verschiedenen Varianten des Pilzkönigreichs in den Kampf zogen.
    Sie merkte, dass sie grinste. Das machte Spaß . Es machte viel mehr Spaß, als mit Tränengas beschossen zu werden.
    Es war Schwester Nors Idee gewesen, sich über die Spiele zu organisieren. Weshalb in der Fabrik oder an deren Toren Kopf und Kragen riskieren, wenn man sich direkt unter die Spieler mischen und sie anwerben konnte, wo immer sie sich auch befanden? Viele der alten Gewerkschafter hatten Nor für verrückt erklärt, aber sie erfuhr auch viel Unterstützung. Besonders, als sie ihnen zeigte, dass man damit auch die indonesischen Textilarbeiterinnen erreichte, die sie in ihrem Job beerbt hatten. Man musste sich bloß bei Spirals of the Golden Snail einloggen, ein Spiel, das die ganze malaiische Halbinsel im Sturm genommen hatte.
    Es kam nicht darauf an, wo man kämpfte, sondern ob man gewann. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie sich, dass sie in-game gewinnen konnten. Die Bosse waren vielleicht besser darin, sie mit Tränengas zu besprühen, aber sie waren besser darin, Feuerbälle zu werfen oder mit Energiewaffen, Photonentorpedos und wilden fliegenden Fischen zu schießen. So würde das immer sein. Außerdem musste ein Streikender, der im Spiel die Schlacht verlor, bloß zu seinem Körper zurück und büßte möglicherweise einen Teil seiner Ausrüstung ein. Passierte einem das in der wirklichen Welt, bezahlte man vielleicht mit dem Leben.
    Schwester Nor lebte ständig mit der Angst, eines Tages Blut an ihren Händen zu haben.
    Die Schlacht wendete sich wieder zu ihren Gunsten. Die Pinkertons waren auf die Finte hereingefallen und die Webblys an ihnen vorbei in den Pilzwald geeilt, womit sie praktisch die Plätze getauscht hatten. Jetzt verschanzten sich die Webblys in den Wäldern, legten Hinterhalte, bauten ihre Stellung aus und nahmen die Gegner von allen Seiten unter Beschuss. Das aufgeregte Atmen und triumphierende Stimmengewirr auf ihrem Headset und der hastig hingeklapperte In-Game-Chat klangen danach, dass der Sieg jetzt in greifbare Nähe rückte. Jede tänzerische Bewegung, jede noch so leichte Verlagerung des Gefechts sandte sanfte Schauer in ihre empfindlichen Fingerspitzen.
    Abermals rief Schwester Nor nach ihrem Schaumtee. Allmählich dämmerte ihr, dass es schon sehr lange her war, dass sie ihn bestellt hatte. Sie bekam auch keine Antwort. Die Haut in ihrem Nacken kribbelte. Sie nahm das Headset ab. Kurz darauf bemerkten es auch Justbob und der Mächtige Krang. Kein Laut drang aus dem Headshot – weder das hyperaktive Geschrei der Gamer-Kids, noch die Stimmen der telefonierenden Gastarbeiter.
    Schnell und leise stand Schwester Nor auf und zog sich an die Wand zurück. Sie bedeutete den anderen, es ihr gleichzutun. Auf dem Schirm sah sie einen neuerlichen Vorstoß der Pinkertons, die das plötzliche Wegbrechen der gegnerischen Führung dazu ausnutzten, gleich mehrere feindliche Stellungen zu erobern. Zentimeter für Zentimeter schlich Nor zur Tür und neigte gaaanz langsam den Kopf, um einen Blick um die Ecke zu werfen. Dann zog sie ihn so schnell sie konnte wieder zurück.
    LAUFT , formten ihre Lippen, und sie und ihre Lieutenants rannten zum Hinterausgang – dem Notausstieg, ohne den sich Schwester Nor nie irgendwo zur Gewerkschaftsarbeit einrichtete.
    Auf ihren Fersen waren die Pinkertons, die echten Pinkertons. Malaien in Arbeiterkleidung, einfache

Weitere Kostenlose Bücher