For the Win - Roman
Spiele variierte gemäß der brutalen, eleganten Logik der Ökonomie des Spaßes:
Ein gewisser Schwierigkeitsgrad
plus
ein gewisser Prozentsatz guter Freunde
plus
eine gewisse Anzahl interessanter Fremder
plus
ein gewisses Maß an Belohnung
plus
ein gewisses Maß an Gelegenheit
ist gleich
Spaß
Das war die Gleichung, die ihm eines Tages zu Beginn seines zweiten Semesters in der Doktorandentretmühle gekommen war – eine Eingebung wie ein Blitz, ein göttlicher Finger, der sein Hirn berührte. Der Zauber lag in dem Gleichheitszeichen direkt vor dem Spaß. Denn sobald man Spaß als Funktion verschiedener Variablen auffasste, konnte man seine Beziehung zu diesen definieren. Wenn man die Schwierigkeit und die Zahl spielender Freunde beispielsweise reduzierte, konnte man dann die Belohnung erhöhen, und der Spaß blieb der gleiche?
Dieser Gedankengang war es, der ihn damals seinen Doktorvater anrufen und nach Hause eilen ließ, wo er tippte, zeichnete und kritzelte und grübelte und grübelte. Am nächsten Tag meldete er sich erst mal krank, den nächsten auch – dann war es Wochenende, und er stöpselte das Telefon aus und checkte weder E-Mails noch Instant Messenger, sondern arbeitete durch und aß nur, wenn es unbedingt sein musste.
Als er sich schließlich dabei ertappte, wie er sich mit den Fingern Butter in den Mund schob, weil sein Kühlschrank sonst nichts mehr hergab, wusste er, dass er vor einer wichtigen Entdeckung stand.
Er nannte sie die Prikkel-Formel. Sie beschrieb das Zusammenspiel aller an der Entstehung von Spaß beteiligter Faktoren in reiner, eleganter, abstrakter Mathematik. Sie sagte einem auch, wie man Spaß zu Geld machen konnte, weil die Leute für Spiele, die Spaß machten, auch etwas zahlen würden. Und erst recht für Sachen, die in den Spielen einen Wert hatten.
Juristisch gesehen hätte er all seine Aufzeichnungen eigentlich seinem Doktorvater schicken müssen, denn als er sich in Stanford einschrieb, hatte er einen Vertrag unterzeichnet, in dem er das Recht an all seinen Ideen an die Universität abtrat – im Austausch für das Versprechen, eines Tages den Namenszusatz »Ph.D.« führen zu dürfen. Es hatte schon damals nicht sehr verlockend geklungen, aber die einzige Alternative war die Aussicht auf einen in seiner ganzen Bescheidenheit schon spektakulär zu nennenden Arbeitsmarkt gewesen, also hatte er eingewilligt.
Das hier würde er Stanford aber bestimmt nicht schenken. Er würde es niemandem schenken – sondern verkaufen .
Er kehrte nie mehr zum Campus zurück, sondern vertiefte sich in verschiedene virtuelle Welten, ermittelte die Zeit, die es brauchte, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, und verglich sie mit dem Kurs des Spielgolds auf verschiedenen legalen, halblegalen und illegalen Umschlagplätzen.
Es war perfekt. Alles war ganz genau so, wie er erwartet hatte. Seine Gleichungen stimmten , und die Welt fügte sich. Endlich hatte er einen Ort gefunden, wo das Irrationale verständlich wurde. Und was noch besser war: Er konnte die Welt damit manipulieren .
Er beschloss, seine Formel einem Härtetest zu unterziehen. Wenn man ihr Glauben schenkte, war der Veeblefetzer, die Währung in Shlabotniks Fluch , einem Spiel des MAD Magazins, deutlich unterbewertet. Es war ein unglaublich lustiges Spiel – zumindest erfüllte es die Kriterien der Gleichung – , aber aus irgendeinem Grund wurden Spielgeld und vor allem Items für Peanuts verschleudert. Und siehe da, binnen 36 Stunden war sein imaginäres MAD -Geld in imaginärem echten Geld gut und gern 130 Dollar wert.
Diese 130 Dollar legte er in vier anderen Spielwährungen an, um seine Chancen zu verteilen. In drei von vier Fällen ging die Rechnung auf, sodass er mittlerweile schon 200 imaginäre Dollar besaß. Als Nächstes beschloss er, etwas echtes Geld auszugeben. Zu diesem Zeitpunkt war ihm bereits klar, dass er nicht mehr zur Uni zurückkehren würde, seine Graduiertenförderung würde also bald auslaufen. Irgendwie musste er aber seine Miete zahlen, während er nach einem Käufer für die Formel suchte.
Er hatte bereits bewiesen, dass er Währungsschwankungen im Spiel befriedigend vorhersagen konnte. Nun wollte er einen Abstecher in die abseitigeren Felder der virtuellen Ökonomie wagen: zu den seltenen Prestige-Items, die wahnsinnig schwer zu bekommen waren. Manche von ihnen – Waffen und Rüstungen, Zutaten für Zauber – hatten einen echten Nutzen, doch andere schienen allein aufgrund ihrer Seltenheit
Weitere Kostenlose Bücher