For the Win - Roman
von Wert zu sein. Weshalb zum Beispiel sollte eine lila Rüstung zehnmal soviel wie die rote kosten, wo beide doch exakt denselben Nutzen hatten?
Weil die lila Rüstung eben viel schwerer zu bekommen war. Man musste sie entweder mit wahren Bergen von Gold kaufen – nur damit alle, die einen darin sahen, dachten, man habe sich dumm und dämlich dafür gespielt – , oder es musste einem etwas wirklich Verrücktes gelingen, etwa ein 60-Spieler-Raid gegen einen fast unschlagbaren Boss. Wie ein Designerlabel auf einem ansonsten unscheinbaren Kleidungsstück waren diese Items deshalb wertvoll, weil die Leute annahmen, dass sie teuer oder schwer erhältlich waren, und dieses Ansehen übertrugen sie auf ihren Besitzer. Mit anderen Worten, sie waren teuer … weil sie teuer waren!
So weit, so gut. Aber konnte die Prikkel-Formel einem auch sagen, wie teuer genau? Connor glaubte schon. Er glaubte, dass man eine direkte Beziehung zwischen dem Spaßquotienten eines Spiels und der Anzahl der Stunden, die man für einen bestimmten Gegenstand brauchte, herstellen und daraus den Wert eines beliebigen Prestigeobjekts ableiten konnte. Egal, ob es sich dabei um eine lila Rüstung, goldene Rallye-Streifen auf dem Raumschiff oder eine Bananencremetorte von der Größe eines ganzen Wohnblocks handelte.
Es würde funktionieren, da war Connor sich ganz sicher. Er begann, den wahren Wert bestimmter Gegenstände zu ermitteln und nach unterbewerteten Gegenständen Ausschau zu halten. Was er entdeckte, überraschte ihn: Während virtuelle Währungen ihrem tatsächlichen Wert meist ziemlich nahe blieben, plus oder minus fünf Prozent, war die Diskrepanz bei Prestige-Items gigantisch . Einige Gegenstände wurden gewohnheitsmäßig für das Doppelte bis Dreifache ihres tatsächlichen Werts gehandelt, andere nur zu einem Bruchteil dessen.
Zu keinem Moment zweifelte Connor die Formel selbst an, wie ein bescheidenerer oder vorsichtigerer Mensch es vielleicht getan hätte. Connor besah sich dieses paradoxe Bild, und der erste Gedanke, der ihm kam, war nicht »ups«, sondern KAUFEN !
Und so kaufte er. Kaufte alles, was unter Wert gehandelt wurde, in so großen Mengen, dass er sich in vielen Welten Zweit- und Drittcharaktere zulegen musste, weil er den ganzen unterbewerteten Kram einfach nicht mehr tragen konnte. Er gab hundert, zweihundert, dreihundert Dollar aus, deckte sich mit Aktivposten ein, deren wahren Wert er bislang nur in seinen Tabellen sah. Auf dem Papier war er unglaublich, unsagbar reich. Auf dem Papier konnte er es sich schon leisten, seine Einzimmerwohnung aufzugeben, die für seinen Vorstadtgeschmack eigentlich etwas zu nahe an dem ärmlichen und Furcht einflößenden East Palo Alto lag, und sich ein geschmackloses Haus in irgendeiner besseren Gegend zulegen. Dort würde er sich dann ganz dem Geschäft widmen können und seine Tage mit dem Einkauf magischer Rüstungen, Zeppeline und Hamburger verbringen, die er abends wieder zu Geld machte.
In Wirklichkeit aber war er pleite. Die Theorie besagte, dass seine Anlagen krass unterbewertet waren. Der Markt sagte leider etwas anderes. Er hatte ein Sammelsurium wundersamen Krempels zusammengetragen, doch aus ihm unbekannten Gründen wollte ihm keiner diesen Krempel abkaufen. Er dachte an Jenny Rosen und all die niederschmetternden Missverständnisse, die im Zusammenspiel von Theorie und Praxis auftreten konnten.
Als die ersten Mahnungen eintrafen, steckte er sie unter seine Tastatur und kaufte einfach weiter. Er musste seine Handyrechnung nicht zahlen. Er brauchte kein Handy, um sich magische Eidechsen zu kaufen. Seine Studienkredite? Er war kein Student mehr, also brauchte er sich auch deshalb keine Sorgen zu machen: Sie konnten ihm schlecht mit dem Rauswurf drohen. Die Raten fürs Auto? Sollten sie ihn doch zwangsenteignen (taten sie dann auch, eines Nachts gegen zwei, und er trauerte seiner kleinen Rostbeule kurz hinterher, dann setzte er sich wieder an den Rechner). Seine Kreditkarten? So lange er noch eine einzige gültige für die monatlichen Spielgebühren besaß, war alles in
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