For the Win - Roman
spielen So-tun-als-ob.«
Sie fühlte, wie die Röte in ihre Wangen stieg, und war abermals dankbar für den Schleier. Ashok hob eine Hand. »Wenn Ihr ergebener Chai-Wallah hierzu etwas sagen dürfte.« Mr. Honnenahalli warf ihm einen feindseligen Blick zu, nickte dann aber. »›Auf Knöpfen herumdrücken und so-tun-als-ob‹ beschreibt mehrere wichtige Bereiche der Wirtschaft, nicht zuletzt das gesamte Finanzwesen. Was sind Bankgeschäfte denn anderes, als auf Knöpfe zu drücken und jedermann weiszumachen, dass das Ergebnis irgendeinen Wert hätte?«
Die alten Tantchen lächelten und Mr. Honnenahalli grunzte. »Du bist ein cleveres Kerlchen, Ashok. Das ist ja alles gut und schön, aber es bringt den Leuten kein Essen auf den Tisch und verschafft ihnen auch keine fairen Arbeitsverträge.«
Ashok nickte, als wäre ihm dieser Punkt noch nie bewusst gewesen, auch wenn Yasmin sich ziemlich sicher war, dass er mit all dem gerechnet hatte, so, wie er lächelte. »Mr. Honnenahalli, über neun Millionen Menschen arbeiten in diesem Sektor und erwirtschaften Jahr für Jahr über fünf Milliarden Rupien. Das vierteljährliche Wachstum liegt bei etwa sechs Prozent. Und acht der zwanzig größten Wirtschaftsräume der Welt sind keine Länder, sondern Spiele, die ihre eigene Währung herausgeben, ihre eigene Finanzpolitik gestalten und ihr eigenes Arbeitsrecht beschließen.«
Mr. Honnenahalli machte ein finsteres Gesicht, sodass seine Wangen schlackerten, und hob die Brauen. »Es gibt verbindliche Gesetze in diesen Spielen?«
»Allerdings«, erwiderte Ashok. »Und die Gesetze der Spielbetreiber besagen, dass in ihren Welten niemand ohne ihre Erlaubnis arbeiten darf, dass sie die absolute Macht über Löhne und Beschäftigung innehaben, dass sie einen jederzeit feuern können, wenn ihnen etwas nicht passt, und dass jeder, der gegen die Regeln verstößt, seinen ganzen virtuellen Besitz verliert und ohne Gerichtsbeschluss oder Anspruch auf rechtlichen Beistand rausgeworfen wird.«
Das erregte ihre Aufmerksamkeit. Yasmin merkte sich die Beschreibung. Sie hatte Schwester Nor schon Ähnliches sagen hören, aber Ashok hatte es besser auf den Punkt gebracht. Und es hatte eindeutig Wirkung auf die Anwesenden: Sie zuckten zusammen, als hätten sie einen elektrischen Schlag erhalten, öffneten die Münder, als wollten sie etwas sagen, und schlossen sie wieder.
Schließlich ergriff eine der alten Frauen das Wort. »Du sagst, neun Millionen Menschen arbeiten in diesen Welten? Wo? Bangalore? Pune? Kalkutta?« Das waren die alten IT -Städte, wo die Technologieunternehmen und deren Banken saßen.
Ashok nickte. »Einige dort. Einige direkt hier in Mumbai.« Er sah Yasmin an und wartete offensichtlich darauf, dass sie etwas sagte.
»Ich arbeite in Dharavi«, erklärte sie. Und bildete sie es sich nur ein, oder rümpften da alle ein wenig die Nase, verlagerten ihr Gewicht weg von ihr, als ob sie dem Kotgeruch eines Dharavimädchens entkommen wollten?
»Sie arbeitet in Dharavi«, wiederholte Ashok. »Und ein oder zwei Millionen arbeiten in ganz Indien. Die Mehrheit aber sitzt in China, Indonesien und Vietnam. Ein paar auch in Südamerika und den USA . Wo immer es die nötige Infrastruktur gibt, gibt es auch Leute, die in den Spielen arbeiten.«
Daraufhin ließ die alte Frau sich zurücksinken. »Ich verstehe«, sagte sie. »Nun, das ist sehr interessant, Ashok, aber was haben wir mit China zu schaffen? Wir sind nicht in China.«
Yasmin schüttelte den Kopf. »Das Spiel ist auch nicht in China«, gab sie zurück, als erklärte sie einem kleinen Kind eine schwierige Sache. »Das Spiel ist überall. Die Spieler sind alle am selben Ort.«
»Du verstehst nicht, Schwester«, warf Mr. Phadkar ein.
»Die Arbeiter in diesen Ländern konkurrieren mit unseren eigenen. Die großen Firmen gehen dahin, wo die Arbeit am billigsten ist und am wenigsten organisiert. Unsere Mitglieder verlieren ihre Arbeitsplätze an sie, weil die Menschen in diesen Ländern nicht genug Selbstachtung haben, für gerechte Löhne zu kämpfen. Wir können mit den Chinesen, Indonesiern und Vietnamesen nicht mithalten. Selbst die Bettler hierzulande erwarten bessere Löhne, als diese Leute sie fordern!«
Mr. Honnenahalli tätschelte seinen Bauch und nickte. »Wir sind indische Arbeiter. Die repräsentieren wir. Was mit den anderen ist, das betrifft uns nicht.«
Ashok nickte. »Nun, das ist schön für Ihre Gewerkschaften und Mitglieder. Die Gewerkschaft aber, für die
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