Forbidden
hättest!
»Ich habe nur sagen wollen, dass ich den Eindruck habe, Sie kümmern sich sehr um Ihre Geschwister«, fährt Miss Azley fort. »Das ist bestimmt anstrengend. Und Ihre eigenen Hausaufgaben müssen Sie ja schließlich auch noch machen.«
»Aber ich – ich kümmere mich gar nicht richtig um sie. Sie – sie sind einfach nur ein wilder Haufen und müssen erst noch erzogen werden … Bestimmt wird das meiner Mutter manchmal zu viel, das kann ich mir gut vorstellen.« Ich lache leicht gequält.
Diesmal ist das Schweigen zwischen Miss Azley und mir noch bedrückender. Ich schiele verzweifelt zur Tür. Warum will sie mit mir darüber reden? Mit wem hat sie über mich gesprochen? Welche Informationen haben sie über mich in meiner Schulakte stehen? Haben sie vielleicht vor, das Jugendamt zu informieren? Haben sie vielleicht nach dem Zwischenfall vor ein paar Wochen, als Mum Willa und Kit nicht von der Schule abgeholt hat, dochdie Behörden informiert, und die haben sich auch mit Belmont in Verbindung gesetzt?
»Ich will mich nicht in Ihre privaten Angelegenheiten einmischen, Lochan«, sagt Miss Azley plötzlich. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie diese ganze Last nicht allein tragen müssen. Ihre Angststörung, die Verantwortung für Ihre Geschwister … Ich finde, das ist für einen jungen Mann in Ihrem Alter ganz schön viel.«
Wie aus dem Nichts fährt mir plötzlich ein Schmerz durch die Brust und in die Kehle. Ich beiße mir auf die Lippen, damit sie zu zittern aufhören.
Das Gesicht von Miss Azley wandelt sich, und sie beugt sich zu mir. »Hey, hey!«, meint sie freundlich. »Lochan, Sie können sich helfen lassen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Sie können mit mir reden oder mit der Schulpsychologin oder mit einem anderen Lehrer, dem Sie vertrauen. Oder ich kann Ihnen auch außerhalb der Schule jemanden sagen, zu dem Sie gehen können. Ich verstehe, wenn Sie die Schule da vielleicht nicht involvieren wollen. Sie müssen das nicht alles allein tragen, wirklich, das müssen Sie nicht –«
Der Schmerz in meiner Kehle wird immer größer. Bald werde ich mich nicht mehr kontrollieren können. »Ich – ich muss jetzt wirklich gehen. Tut mir leid, dass ich –«
»Das ist schon in Ordnung, Lochan, das ist schon in Ordnung. Aber ich bin immer da, wenn Sie mit mir reden wollen. Wir können auch jederzeit einen Termin bei der Schulpsychologin ausmachen. Und wenn es irgendetwas gibt, womit ich Ihnen in der Klasse helfen kann, lassen Sie es mich wissen … Das mit dem Referat lassen wir im Moment bleiben. Ich werde Ihnen einfacheine Note auf Ihre schriftliche Arbeit geben, wie Sie vorgeschlagen haben. Und ich werde es Ihnen überlassen, ob Sie sich am Unterricht beteiligen wollen. Ich will Sie da nicht weiter bedrängen. Ich weiß, das ist nicht viel, was ich für Sie tun kann – aber vielleicht nimmt das ein bisschen was von dem Druck raus, hm?«
Ich verstehe nicht. Warum kann sie sich nicht einfach wie alle anderen Lehrer verhalten? Warum bringt sie mir so viel Anteilnahme entgegen?
Ich nicke stumm.
»Ach, du meine Güte, Lochan, das wollte ich nicht! Ich wollte wirklich nicht, dass Sie sich noch schlechter fühlen. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie sich jederzeit Hilfe holen können, dass es da Menschen gibt, die …«
Erst als ich an ihrer Stimme und auch am Ausdruck in ihrem Gesicht merke, wie erschrocken sie ist, wird mir bewusst, dass ich weine.
»D-danke. K-kann ich jetzt gehen?«
»Natürlich, Lochan. Aber, bitte, denken Sie noch einmal darüber nach! Versprechen Sie mir, dass Sie noch einmal darüber nachdenken werden, ob Sie sich nicht doch jemandem anvertrauen wollen! Sie können immer mit mir reden!«
Ich nicke stumm, greife nach meiner Tasche und renne aus dem Raum.
»Nein, du Dummie. Wir brauchen heute nur vier Teller.« Tiffin nimmt einen der Teller vom Tisch und stellt ihn mit lautem Geschepper in den Schrank zurück.
»Warum? Geht Kit heute schon wieder zu Burger King ?« Willa nagt nervös an ihrem Daumen und blickt unruhig in der Kücheumher, als würde sie nach Anzeichen für einen großen Streit suchen.
»Maya hat doch heute ihr Date, du Dummie!«
Ich drehe mich zu ihnen um. »Hör auf, sie ›Dummie‹ zu nennen, Tiffin. Sie ist jünger als du, das ist alles. Und was treibst du eigentlich? Hast du den Müll schon rausgebracht? Willa hat für uns alle den Tisch gedeckt. Und wie steht’s mit dir?«
»Ich will nicht, dass Maya weggeht«, protestiert Willa.
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