Forellenquintett
starrten.
»Blaulicht?«, fragte Kubitschek.
»Hat der Chef nichts von gesagt«, erwiderte Rösner.
Kubitschek bog auf die Tettnanger Straße ein. »Übrigens, Kollegin«, sagte er plötzlich, »das tut mir alles sehr leid, und ganz sicher ist es ein Missverständnis, das sehr schnell …«
»Kubitschek!«, unterbrach ihn Rösner warnend.
»Ist ja schon gut«, murrte der Fahrer und warf einen Blick in den Rückspiegel. Hinter ihnen hatte ein roter Kleinwagen aufgeschlossen, ein Renault. »Aber manchmal ist es ein rechter Scheißjob, den wir haben, das wird man noch sagen dürfen!«
Rösner zuckte mit den Achseln. Tamar schwieg. Es hatte wieder zu regnen begonnen, und die Scheibenwischer schalteten sich ein.
Aus dem Regen tauchte das Ortsschild auf. Der rote Renault setzte Warnblinker, beschleunigte und überholte. Ein Schwall Wasser schwappte über die Windschutzscheibe des Streifenwagens, dann scherte der Renault so knapp wieder ein, dass Kubitschek fluchend abbremsen musste. Auch der Renault stoppte und kam fast quer auf der Fahrbahn zu stehen.
»Pass bloß auf«, sagte Rösner, »das ist eine Falle...«
Eine Frau sprang aus dem roten Wagen, mit beiden Händen winkend, und lief durch den Regen auf sie zu.
»Quatschkopf«, sagte Kubitschek, »das ist doch die Marlen.« Er ließ die Fensterscheibe herab. Die Frau stand jetzt neben dem Streifenwagen, griff in ihren Lederblouson und hielt Kubitschek eine kleine schwarze Pistole an die Schläfe.
»Alle beide raus!«, befahl sie. »Erst Rösner, dann du …«
»Mach kein Scheiß, Marlen«, sagte Rösner mit belegter Stimme, »das ist kein Spaß mehr, tu das Ding weg …« Entsetzt starrte er in die kleine hässliche Mündung der kleinen hässlichen Pistole, die sich unversehens auf ihn gerichtet hatte.
»Ist ja gut«, sagte Rösner und hob die Hände, soweit das geht, wenn einer hinten in einem Auto sitzt.
M arlen folgte den Schildern, die zur Stadtmitte Friedrichshafen wiesen, und bog rechts von der B 31 ab. Sie unterquerte die Schnellstraße, dann stieg die Fahrbahn wieder an, für einen Augenblick sah man links den See wie eine blaugraue Mauer vor dem Horizont. Die Polizistin fuhr konzentriert, unauffällig, knapp über der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit.
»Bei Gelegenheit erzählst du mir, warum du das gemacht hast.« Es war das Erste, was Tamar sagte, und zum ersten Mal hatte sie Marlen bewusst geduzt.
Marlen zuckte mit den Schultern. »Ich häng doch mit drin«, antwortete sie, »wenn sie dir nicht glauben, tun sie es bei mir erst recht nicht. Außerdem ist es jetzt, wie es ist.«
Tamar betrachtete sie von der Seite. »Das ist wahr«, sagte sie schließlich.
Die Straße führte an Häusern vorbei, die ihr nichts sagten und zwischen denen immer wieder einmal ein Stück vom Bodensee zu erkennen war. Vor einer Ampel mussten sie zwei Phasen abwarten, bis sie durchkamen, eine zweite und eine dritte Ampel folgten, nach einer ersten Unterführung bogen sie rechts ab, in eine neuerliche Unterführung, die diesmal die Bahnlinie unterquerte. Tamar hatte den Kopf gegen die Nackenstütze gelegt und die Augen geschlossen. In ihrem rechten Arm gab es eine Stelle, die zu pochen begann.
Nach der Unterführung kam ein Kreisverkehr, Marlen nahm die dritte Ausfahrt und bog zu einer Tiefgarage ab. Als sie ankamen, räumte ein Daimler einen Platz im ersten Stockwerk, Marlen parkte ein, die beiden Frauen stiegen aus und gingen durch einen Fußgängertunnel in Richtung des Stadtbahnhofs. Als sie auf der linken Seite einen Abfallkorb sah, holte Tamar ihr Handy aus der Jackentasche und ließ es beim Vorbeigehen in den Korb fallen. An den Aufgängen zu den Bahnsteigen vorbei erreichten sie die Treppe zum Bahnhofsvorplatz, der zugleich Busbahnhof war. Der Regen war schwächer geworden.
Marlen warf einen Blick auf die Bahnhofsuhr, dann löste sie an einem Automaten zwei Tickets und ging zielstrebig zu einem der wartenden Busse, stieg ein und setzte sich auf einen Platz in der zweiten Reihe. Tamar folgte ihr. Beim Vorbeigehen nahm sie das Ticket, das ihr Marlen in die Hand drückte, ging aber weiter nach hinten, von den Blicken einiger Fahrgäste begleitet, die verwundert auf die Schlinge starrten, in der sie ihren verletzten Arm trug. Aber die Fahrgäste sahen nicht so aus, als ob sie auf Fahndungsaufrufe im deutschen Radio achten würden.
Tamar setzte sich und schaute nach draußen. Der Blick auf den See war von einer großen Plakatwand verstellt,
Weitere Kostenlose Bücher