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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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lief zu ihr hin und fing sie gerade noch auf. Sie umfasste Tamars Taille und legte deren linke Hand über ihre Schulter, und so schleppte sie sie in das Appartement, bis zu dem französischen Bett, dessen Decke aufgeschlagen war, und ließ sie vorsichtig auf das Laken gleiten.
    »Dieser Scheißköter«, sagte sie und schob Tamar ein Kissen unter die linke Schulter, »ich kann dich nicht auf die rechte Seite legen...«
    »Geht schon«, versuchte Tamar zu sagen, und Marlen meinte, sie solle gar nichts sagen, »bleib einfach mal liegen, ich hol dir ein Glas Wasser...«
    »Einen Schnaps«, hörte sich Tamar sagen. War das wirklich ihre Stimme? »Es geht schon«, krächzte sie. »Auch ohne Schnaps. Aber vielleicht gibt es ein Bier hier im Haus.« Sie versuchte sich aufzurichten und ließ es wieder bleiben.
    »Moment.« Marlen kam aus der Küche und brachte ihr das Glas Wasser. »Ich hab sogar auf Anhieb ein sauberes Glas gefunden, das ist in dieser Wohnung nicht selbstverständlich... trink mal.« Sie hielt Tamars Kopf und flößte ihr das Wasser ein. »Mit Schnaps oder Bier wird es ein wenig schwierig sein, weißt du? Vorräte halten sich hier nicht, das heißt … ich schau gleich noch mal nach.« Sie zog ihr die Schuhe aus und deckte sie zu. »Vorher versuche ich aber besser, einen Arzt herzuholen, ja?«
    »Nein«, sagte Tamar. »Lass mich nur einen Moment da liegen.«
    Marlen sah sie zweifelnd an. Dann stand sie auf und ging in die Küche, wider Erwarten waren im Kühlschrank doch noch die zwei Flaschen Bier, von denen am Vorabend gesprochen oder gelallt worden war. Nur war Bier jetzt nicht angezeigt. Alle medizinischen und sonstigen Vernunftgründe sprachen dagegen. Aber kam es darauf noch an? Sie öffnete die Bierflaschen und brachte sie ins Schlafzimmer. Tamar hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Als Marlen stehen blieb, öffnete sie aber die Augen wieder und setzte sich auf. »Danke«, sagte sie und griff sich eine der Flaschen, Marlen nahm die andere und hockte sich auf den Boden, die Knie angezogen, und so tranken sie sich zu.
    »Schon besser«, sagte Tamar. »Wie geht es weiter?«
    »Wenn wir ein Auto brauchen«, antwortete Marlen, »besorg ich eines. Das geht schon. Aber den Plan, den musst du haben.«
    »Mach du nur einen Plan!«, sagte Tamar. »Es wäre mir lieber, ich müsste mich um das Auto kümmern. Da hab ich jemand zur Hand.« Sie stellte die Flasche ab. »Vor einer Stunde wusste ich wenigstens noch, dass ich nach meiner Walther suchen muss. Das hat sich jetzt ja erledigt.« Sie sah Marlen an. »Es ist ganz einfach. Ich weiß nicht weiter.«
    »Gibt es sonst jemand, der uns helfen könnte?«
    Tamar zögerte, als ob ihr ein Gedanke gekommen sei. »Nein«, sagte sie unerwartet heftig. »Kommt nicht in Frage.« Sie sah Marlen an. »Das Einzige, was wir tun könnten, wäre: diesen Bastian zu finden.«
    »Warum ist das wichtig?«
    Tamar rieb sich mit der linken Hand die Augen. »Dieser Bastian ist Zeuge in einem Mordfall...« Sie hob die Hand, als Marlen eine Frage stellen wollte. »Aber das ist nicht alles. Zugleich soll er den Köder abgeben für mich. Die Leute, die in Aeschenhorn aufgetaucht sind, die haben es in Wahrheit auf mich abgesehen.«
    »Und der Tote von heute Nacht? Dieser Kevin Irgendwas?«
    Die Kommissarin schüttelte den Kopf. Dann verzog sie das Gesicht, weil das Kopfschütteln ihrer Schulter weh tat. »Dazu kann ich gar nichts sagen«, antwortete sie, »der passt in überhaupt kein Raster.«
    Marlen trank noch einen Schluck und verzog das Gesicht. Eigentlich mochte sie kein Bier. »Was den Bastian angeht - ich hab da eine Idee, schon die ganze Zeit. Aber wahrscheinlich ist es jetzt zu spät.« Mit einem Ruck stand sie auf und ging zu dem Sideboard, wo ein Telefon stand.

Dienstag, 11. Oktober, Nachmittag
    D enkmalschutz, endlich!«, rief Scheußl-Swarowski und warf sich mit einer ruckartigen Kopfbewegung die Haartolle aus der Stirn, »dass Sie mir dieses allerliebste Steckerl hinhalten, lieber Herr Dr. Innertshofer, darauf warte ich nun schon eine geschlagene halbe Stunde …«
    Der Lichtpfeil seines elektrischen Zeigestabes wanderte über den Mittelteil des Bauplanes, der allein zwei Stellwände beanspruchte, und zog sich um die drei barocken Fassaden, die auf dem Plan in einen Gesamtkomplex aus Glas und Stahl einbezogen waren. »Es ist überhaupt kein anderer Entwurf denkbar, der den Denkmal-Charakter dieser barocken Gebäude besser visualisieren würde als ebendieser, denn,

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